Ein weiteres Beispiel der Infragestellung bestehender Gesellschaftsordnung(en) ist die Legitimierung krimineller Handlungen wie Mord durch staatlich anerkannte Verfahren. Wir sehen dieses blinde Vertrauen der Menschen in ihnen bekannte Verfahren bei den zwei Bomben in den zwei Fähren, die durch einen Fernzünder von der jeweils anderen Fähre gezündet werden können. Auf der einen Fähre sitzen normale Bürger Gotham Citys. Auf der anderen Fähre sitzen Verbrecher aus dem Gefängnis Gothams zusammen mit ihren Wärtern und Polizisten. Sie haben eine halbe Stunde Zeit den Zünder für die Bombe in der anderen Fähre zu zünden, ansonsten zündet der Joker beide Bomben. Und natürlich muss jede Fähre fürchten, dass die andere Fähre jederzeit den Zünder betätigen könnte. Die Fähre mit den normalen Bürgern streitet kurz und einigt sich dann, die Entscheidung, ob sie den Zünder betätigen oder nicht, mit einer Wahl zu treffen. In einer Extremsituation wie dieser zeigt sich die Todesangst und der Überlebenswille der Normalbürger auch durch die Argumentation, die auf der anderen Fähre hätten ihre Chance gehabt und sich für Raub und Mord entschieden. Ihr Leben sei deswegen nichtig und könne geopfert werden. Sich selbst zu opfern und damit nicht denselben Weg wie Gefängnisinsassen zu gehen, darauf kommen sie nicht. Die verurteilten Verbrecher werden also zum zweiten Mal verurteilt, dieses Mal nicht von einem vereidigten Richter, sondern von der Demokratie. Man stimmt ab, es werden mehr Stimmen für "Ja" im Sinne von Ja, wir sprengen die andere Fähre gesammelt und damit ist das Verbechen legitimiert. Eigentlich hätte man zu der Einsicht kommen müssen, dass der in dieser Situation zu identifizierende Verbrecher sich der Bestrafung entzieht und somit weder die eine noch die andere Fähre berechtigt wäre, den Zünder zu betätigen. Im Recht blieben dann sowohl die einen als auch die anderen. Aber das Leben in Schuld ist ihnen lieber als mit dem Recht in den Tod zu gehen. Schließlich fehlt der Mini-Gesellschaft auf der Fähre aber die Exekutive. Niemand sieht sich bereit, das auszuführen, was mehrheitlich bestimmt wurde. Der, der glaubt es zu können, kann es dann doch nicht. Das Ergebnis der Abstimmung bleibt unausgeführt. Das Vertrauen in das Verfahren der Abstimmung, der Entscheidung durch Mehrheit müsste erschüttert sein. Wie etwas zuvor Entschiedenes erfahren, wenn es nicht umgesetzt wird?
Die Fähre mit den Verbrechern streitet nur, ihnen wird nicht die Einsicht zur Durchführung eines gesellschaftlich und staatlich anerkannten Verfahrens zugesprochen. Statt dessen steht der größte und furchteinflößendste der Verbrecher auf und überredet den obersten Beamten auf der Fähre, ihm den Zünder auszuhändigen, damit er das vollzöge, wozu er nicht imstande sei. Dieser ist verzweifelt und lässt den Verbrecher gewähren, woraufhin der den Zünder an sich nimmt und aus dem Fenster wirft.
Die Fähre mit den Verbrechern streitet nur, ihnen wird nicht die Einsicht zur Durchführung eines gesellschaftlich und staatlich anerkannten Verfahrens zugesprochen. Statt dessen steht der größte und furchteinflößendste der Verbrecher auf und überredet den obersten Beamten auf der Fähre, ihm den Zünder auszuhändigen, damit er das vollzöge, wozu er nicht imstande sei. Dieser ist verzweifelt und lässt den Verbrecher gewähren, woraufhin der den Zünder an sich nimmt und aus dem Fenster wirft.
03.09.2008, 00:26
/ Im Kino (gewesen)
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Die heutige Nacht hielt eine sehr intensive Vision von einem Traum für mich bereit. Um 7 Uhr herum träumte ich, dass ich in der Turnhalle meiner ehemaligen Schule sei und wir dort Sportunterricht bei Herrn T. hatten. Er hatte draußen neben der Turnhalle an einer Laufbahn riesengroße Boxen, also Lautsprecher aufgebaut, an denen man vorbeilaufen musste. Ich kann mich nicht mehr erinnern, ob oder was aus diesen Lautsprechern erklang. Danach ging ich in die Turnhalle zurück und der Lehrer fragte mich, ob ich vor ein paar Jahren meine CDs dort vergessen habe. Er zeigte mir daraufhin eine Pantera-CD und einen Sampler mit Lounge/Downbeat-Sachen. An die Pantera konnte ich mich noch erinnern, aber diesen Sampler hatte ich total vergessen und freute mich im Traum darüber, ihn wiederzuhaben.
Es ging damit weiter, dass ich in einen anderen Hallenteil ging (man muss dazu sagen, dass man unsere Turnhalle mit riesigen Vorhängen in drei Hallenteile teilen konnte, damit mehrer Klassen oder Kurse gleichzeitig Sport machen konnten) und dort in einer anderen Zeit und an einem anderen Ort landete. Im Traum dachte ich, dass dies nun ein Traum sei aber so richtig hellsichtig war der Traum dann aber doch nicht. Dieser andere Ort und die andere Zeit war ein Geburtstag eines ehemaligen Schulfreundes. An die anderen Episoden erinnere ich mich nicht mehr genau, ich wechselte dann aus Spaß von einem zum anderen Hallenteil, um diese Zeit- und Raumsprünge auszukosten, aber die letzte Episode ist mir noch im Kopf geblieben. Ich war dort in einem Gang wie an einem Bahnhof oder Flughafen. Es war die Zukunft, wie ich wusste. An der Wand hing eine Konstruktion, aus mechanischen Händen, die auf einem überdimensionalen Gitarrenhals ein Lied von Jose Gonzalez spielten (nicht "Heartbeats"). Ich ging weiter und freute mich über diese schöne Konstruktion und wurde plötzlich von hinten von jemandem angesprochen. Ich drehte mich um und erblickte einen Mann, der reglos vor mir stand und mit rotem Licht umgeben war. Es war artifizielles Licht, das von einem Scheinwerfer auf ihn geworfen wurde. Er fing an mit den Worten: "Kennst du die neuen Handysignale?" Seine folgenden Worte wurden robotisch, das Licht änderte sich in einen dunkleren Ton und auch seine Gestalt und sein Aussehen morphte in eine andere Person. Ich erwachte stöhnend aus diesem Traum, in dem mir gewahr wurde, dass man in der Zukunft alles könne.
Es ging damit weiter, dass ich in einen anderen Hallenteil ging (man muss dazu sagen, dass man unsere Turnhalle mit riesigen Vorhängen in drei Hallenteile teilen konnte, damit mehrer Klassen oder Kurse gleichzeitig Sport machen konnten) und dort in einer anderen Zeit und an einem anderen Ort landete. Im Traum dachte ich, dass dies nun ein Traum sei aber so richtig hellsichtig war der Traum dann aber doch nicht. Dieser andere Ort und die andere Zeit war ein Geburtstag eines ehemaligen Schulfreundes. An die anderen Episoden erinnere ich mich nicht mehr genau, ich wechselte dann aus Spaß von einem zum anderen Hallenteil, um diese Zeit- und Raumsprünge auszukosten, aber die letzte Episode ist mir noch im Kopf geblieben. Ich war dort in einem Gang wie an einem Bahnhof oder Flughafen. Es war die Zukunft, wie ich wusste. An der Wand hing eine Konstruktion, aus mechanischen Händen, die auf einem überdimensionalen Gitarrenhals ein Lied von Jose Gonzalez spielten (nicht "Heartbeats"). Ich ging weiter und freute mich über diese schöne Konstruktion und wurde plötzlich von hinten von jemandem angesprochen. Ich drehte mich um und erblickte einen Mann, der reglos vor mir stand und mit rotem Licht umgeben war. Es war artifizielles Licht, das von einem Scheinwerfer auf ihn geworfen wurde. Er fing an mit den Worten: "Kennst du die neuen Handysignale?" Seine folgenden Worte wurden robotisch, das Licht änderte sich in einen dunkleren Ton und auch seine Gestalt und sein Aussehen morphte in eine andere Person. Ich erwachte stöhnend aus diesem Traum, in dem mir gewahr wurde, dass man in der Zukunft alles könne.
31.08.2008, 09:12
/ Traumtagebuch
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Es ist schön zu sehen, dass sich Puzzleteile zusammenfügen, dort wo sich beide Teile eigentlich abstoßen würden. Hier fügen sich der Tanzstil in alternativen Diskos und der Michael Jacksons im Musikvideo zu "Don't stop 'til you get enough" zusammen. Gedreht von Nick Saxton hatte der Tanzschritt, den man im Video ( http://www.youtube.com/watch?v=4_hz2am90Hk ) bei 1:23 min. sieht, anscheinend einen enormen Einfluss auf einen ganzen Tanz in der alternativen Szene. Mit leicht gespreizten Beinen steht man auf der Tanzfläche, wippt leicht in der Kniebeuge und winkelt abwechselnd das linke und das rechte Bein im Knie bis max. 90° an. Bei Michael Jackson ist es mehr ein reines Anheben des Beins vom Boden, in der alternativen Szene wird mit dem Fuß beim Anheben mehr über den Boden gewischt, so dass es manchmal wie ein Weglaufen auf der Stelle aussieht. Dabei lässt man die Arme mit zu defensiven Fäusten geballten Händen leicht gebeugt an der Seite schlackern oder bewegt sie leicht wie beim Gehen. In zwei Ausprägungen hat sich dieser Tanz weiterentwickelt; einmal zum stakenden, leicht gelähmt wirkenden Tanz wie man ihn bei Ian Curtis von Joy Division beobachten konnte, mit übertriebenden Armbewegungen und wankend-torkelndem Gang wie bei Frankenstein und einmal das capoeira-artige Tanzen, das man heute bei vielen Jugendlichen sieht, die zu Core tanzen.
30.08.2008, 10:56
/ Musik
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Intelligenterweise spricht Christopher Nolan Batman als Superkraft doch eines zu: das Auftauchen und Verschwinden von der "Bildfläche". Dieses Verschwinden und Auftauchen ist durch diegetische Technik nicht zu bewerkstelligen und wird im ersten Teil nur unzureichend als Trainingseinheit Ablenkungsmanöver erklärt. Im Batman von 1989 benutzt Michael Keaton kleine Rauchbomben um zu verschwinden. Aber in "The Dark Knight" ist das alles eine Sache des Schnitts und einmal eine Sache des Lichts (die Verhörszene, in der Jim Gordon aus der Zelle verschwindet und Batman hinter dem Joker aus dem Dunkel auftaucht). Zumeist befindet sich Batman im Dialog, wird durch sein Gegenüber für einen Moment aus den Augen gelassen und ist im nächsten Schnitt verschwunden. Nichts ungewöhnliches für einen Film, wieso, frage ich mich, wundert das uns eigentlich ob des Umstands, dass jeder der auf der Leinwand zu sehenden Personen vom einen zum anderen Augenblick verschwinden oder auftauchen kann? Aber es wundert uns natürlich, weil die andere Person Batman noch dort erwartet, wo er vorher war und das trägt erheblich zum realitätserweckenden Charakter des Films bei. Christopher Nolan spricht Batman so eine Superkraft zu, die er sowieso als Filmschauspieler hat.
23.08.2008, 13:50
/ Im Kino (gewesen)
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Auf was in "The Dark Knight", das nicht schon die großen Köpfe anderer Medieneinrichtungen gekommen wären, könnte die Rezension eines Bloggers hinweisen? Entgegen meines inneren Anspruchs auf Vollständigkeit, auf die Berührung des Rahmens der das Bild umgibt, will ich hier versuchen, auf Dinge hinzuweisen, die vielleicht nicht Thema der Rezensionen der Großen sind. Man beachte z.B. die Verortung Christian Bales als Batman außerhalb glamuröser Tatorte; Batman taucht da auf, wo Kriminelle sich treffen, um ungestört zu sein. Parkhäuser, dunkle Straßen, verlassene oder verfallene Gebäude. Schon immer war Batman kein Superheld im klassischen Sinn, seine Stärke war zum Einen sein Sinn, Hang und Drang nach Gerechtigkeit und die Möglichkeit, sich technisch so auszustatten, dass er gegen Kriminalität mit anderen Waffen kämpfen kann, als die Exekutive dies kann. Trotzdem ist er verletzlich. Christian Bale als Batman kann seine Wunden nicht verschwinden lassen, er muss sie selbst zunähen. Aber auch das wissen wir schon alles, das wussten wir auch schon seit Michael Keatons grandioser Szene in Pinguins Abwassergewölbe. So taucht das Thema der Kopie sehr zu Anfang des Films als ein Problem Batmans auf. Batman ist jeder, der sich ein Fledermauskostüm anzieht und Gewalt ausübt. "Was unterscheidet dich von mir", fragt dieser verkleidete Gangster in "The Dark Knight" und Christian Bale antwortet: "Dass ich keine Schulterpolster brauche", und verweist damit auf seinen durchtrainierten Körper aber lässt den Zuschauer sich die wesentlichen Unterschiede ins Gedächtnis rufen. Trotzdem wird hier auf die schwierige Frage des Unterschieds zwischen Original und Kopie hingewiesen, deren Beantwortung Batman sich entzieht; da er der endgültigen Antwort nie gerecht werden kann, verweist er auf einen unwichtigen aber dafür deutlich sichtbaren Unterschied. Ein paar kleine Szenen wie diese machen - neben der sorgfältig ausgefalteten Geschichte und der schauspielerischen Leistung, der ja aber wie gesagt schon woanders genug Rechnung getragen wird - die Größe dieses Films aus. Da sieht man Christian Bale, wie er mit Hilfe Morgan Freemans als Lucius Fox gegen den Joker kämpft; weil es dunkel ist, bedient sich Batman eines Sonars, das durch den Verbund von Mobiltelefonsignalen funktioniert. Dieses Sonarbild wird Batman direkt vor die Augen projiziert, auf das er sich blind im wahrsten Sinne des Wortes verlässt. Als unpraktisch erweist sich dieser allwissende Blick aber schon in der nächsten Sekunde, als der Joker direkt vor ihm auftaucht und ihm einen Schlag ins Gesicht verpasst. So fühlen wir uns aber wie in einem neuartigen reell wirkenden Cyberspace, wenn dieses Sonar einen dreidimensionalen Raum erzeugt.
Einen sehr gegenwärtigen und aktuellen Blick wirft der Film auf die Wahrnehmung der Katastrophenschauplätze. Wie in den Nachrichten Bilder von Hubschrauberkameras der Sender verwendet werden, werden diese Orte - hervorgerufen durch terroristische anmutende Aktivitäten des Jokers - in "The Dark Knight" von den Kameras überflogen. Weiterhin manipulierte der Joker schon im "Batman" von 1989 das Fernsehen, indem er sich mit einem Störsignal in das Programm einhackte. Dort pervertierte er das Einkaufsfernsehen Das muss der Joker 2008 nicht mehr tun. Er filmt mit einer Amateurkamera seine Geiselnahmen und Verbrechen und schickt/sendet/überträgt diese ans lokale Fernsehen. Die Katastrophe ist adoptiert, an die Existenz des Chaos hat man sich gewöhnt, man baut sie als Berichterstattung ins Fernsehen ein.
Dies alles addiert sich zu dem postmodernen Batman, den wir in "The Dark Knight" sehen. Teile davon sah man auch schon in "Batman Begins", doch da hatte man noch die Vorgeschichte in Bhutan, in der Bruce Wayne erst zu Batman "wird", die dem ganzen Film einen weitaus mystischeren Anstrich gab als "The Dark Knight" das zulässt. Batman, Harvey Dent (später Two-Face), Rachel Dawes, Jim Gordon und Der Joker sind Manifestationen menschlicher Ideen von Stärke und Schwäche, Schönheit und Hässlichkeit, Gewalt und Frieden, Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit, Ehrlichkeit und Lüge, Aufrichtigkeit und Niederträchtigkeit, Chaos und Ordnung, Größenwahn und Bescheidenheit, Schicksal und Zufall. Was in der Gesellschaft durch den Staat und andere Ordnungen seit Jahrhunderten und Jahrtausenden verankert ist, seinen Ursprung nahm und sich weiterentwickelt hat, wird hier dargestellt, bestätigt, widerlegt und hinterfragt. Schwierig eigentlich für einen Film, der in manchen Rezensionen für "nur ein Superhelden-Film" gehalten wird. Dabei würde es nicht lange brauchen, um zu mehreren interessanten Beweggründen des Bedürfnisses der Gesellschaft nach einem Superhelden zu gelangen. Wenn Recht und Ordnung durch den Staat und seine Mittel nicht mehr aufrecht erhalten werden können, dann kommt eben jemand, der es auf seine Art und Weise macht, aber natürlich trotzdem immer mit Gewalt. Ob dies nun ein Held mit oder ohne Superkräfte ist, spielt für die Leinwand letztendlich keine Rolle. Auf der Leinwand ist jeder ein Held, wenn er vom Regisseur und Schnitt künstlich herbei und auf und ins Bild gerufen wird. Dass dieser Leinwaldheld aber eigentlich keinem Gesetz unterworfen ist, außer dem Inhalt des Drehbuchs und den Anweisungen des Regisseurs, ist aber eigentlich bei keinem Film der Fall. Vielmehr verweist "The Dark Knight" durch seine Figuren auf ein uraltes Problem des Films selbst. Wenn wir Figuren im Kino sehen, kämpfen sie eigentlich Zeit ihres Filmdaseins für 80, 90, 120 oder auch wie hier 152 Minuten dagegen an, was wir von dem halten, was sie repräsentieren oder sagen oder tun. Was repräsentiert Batman oder was wollen wir von ihm? Das gleicht eigentlich dem, was die Bürger von Gotham City von ihm wollen. Gerechtigkeit soll Batman ausüben, Gerechtigkeit soll den Guten widerfahren, Bestrafung und Bekehrung für die Bösen. Aber "The Dark Knight" stellt dies durch seine Figuren in Frage. Batman, Harvey Dent, Der Joker, das sind alles nur Projektionsflächen, um das zuordnen zu können, was die Menschen für gerecht und ungerecht halten. Und wir schauen uns selbst dabei auf der Leinwand zu. Wir schauen dem Mechanismus des Ordnens zu, den wir bestätigt oder widerlegt sehen. Aber letztendlich sehen wir uns wieder geläutert nach Abspann. Batman ist auf der Flucht, Harvey Dent/Two-Face ist tot, nur der Joker... als wir ihn das letzte Mal sehen, hängt er kopfüber.
Einen sehr gegenwärtigen und aktuellen Blick wirft der Film auf die Wahrnehmung der Katastrophenschauplätze. Wie in den Nachrichten Bilder von Hubschrauberkameras der Sender verwendet werden, werden diese Orte - hervorgerufen durch terroristische anmutende Aktivitäten des Jokers - in "The Dark Knight" von den Kameras überflogen. Weiterhin manipulierte der Joker schon im "Batman" von 1989 das Fernsehen, indem er sich mit einem Störsignal in das Programm einhackte. Dort pervertierte er das Einkaufsfernsehen Das muss der Joker 2008 nicht mehr tun. Er filmt mit einer Amateurkamera seine Geiselnahmen und Verbrechen und schickt/sendet/überträgt diese ans lokale Fernsehen. Die Katastrophe ist adoptiert, an die Existenz des Chaos hat man sich gewöhnt, man baut sie als Berichterstattung ins Fernsehen ein.
Dies alles addiert sich zu dem postmodernen Batman, den wir in "The Dark Knight" sehen. Teile davon sah man auch schon in "Batman Begins", doch da hatte man noch die Vorgeschichte in Bhutan, in der Bruce Wayne erst zu Batman "wird", die dem ganzen Film einen weitaus mystischeren Anstrich gab als "The Dark Knight" das zulässt. Batman, Harvey Dent (später Two-Face), Rachel Dawes, Jim Gordon und Der Joker sind Manifestationen menschlicher Ideen von Stärke und Schwäche, Schönheit und Hässlichkeit, Gewalt und Frieden, Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit, Ehrlichkeit und Lüge, Aufrichtigkeit und Niederträchtigkeit, Chaos und Ordnung, Größenwahn und Bescheidenheit, Schicksal und Zufall. Was in der Gesellschaft durch den Staat und andere Ordnungen seit Jahrhunderten und Jahrtausenden verankert ist, seinen Ursprung nahm und sich weiterentwickelt hat, wird hier dargestellt, bestätigt, widerlegt und hinterfragt. Schwierig eigentlich für einen Film, der in manchen Rezensionen für "nur ein Superhelden-Film" gehalten wird. Dabei würde es nicht lange brauchen, um zu mehreren interessanten Beweggründen des Bedürfnisses der Gesellschaft nach einem Superhelden zu gelangen. Wenn Recht und Ordnung durch den Staat und seine Mittel nicht mehr aufrecht erhalten werden können, dann kommt eben jemand, der es auf seine Art und Weise macht, aber natürlich trotzdem immer mit Gewalt. Ob dies nun ein Held mit oder ohne Superkräfte ist, spielt für die Leinwand letztendlich keine Rolle. Auf der Leinwand ist jeder ein Held, wenn er vom Regisseur und Schnitt künstlich herbei und auf und ins Bild gerufen wird. Dass dieser Leinwaldheld aber eigentlich keinem Gesetz unterworfen ist, außer dem Inhalt des Drehbuchs und den Anweisungen des Regisseurs, ist aber eigentlich bei keinem Film der Fall. Vielmehr verweist "The Dark Knight" durch seine Figuren auf ein uraltes Problem des Films selbst. Wenn wir Figuren im Kino sehen, kämpfen sie eigentlich Zeit ihres Filmdaseins für 80, 90, 120 oder auch wie hier 152 Minuten dagegen an, was wir von dem halten, was sie repräsentieren oder sagen oder tun. Was repräsentiert Batman oder was wollen wir von ihm? Das gleicht eigentlich dem, was die Bürger von Gotham City von ihm wollen. Gerechtigkeit soll Batman ausüben, Gerechtigkeit soll den Guten widerfahren, Bestrafung und Bekehrung für die Bösen. Aber "The Dark Knight" stellt dies durch seine Figuren in Frage. Batman, Harvey Dent, Der Joker, das sind alles nur Projektionsflächen, um das zuordnen zu können, was die Menschen für gerecht und ungerecht halten. Und wir schauen uns selbst dabei auf der Leinwand zu. Wir schauen dem Mechanismus des Ordnens zu, den wir bestätigt oder widerlegt sehen. Aber letztendlich sehen wir uns wieder geläutert nach Abspann. Batman ist auf der Flucht, Harvey Dent/Two-Face ist tot, nur der Joker... als wir ihn das letzte Mal sehen, hängt er kopfüber.
22.08.2008, 22:40
/ Im Kino (gewesen)
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Heavy Metal gibt's nur einmal im Leben.
- Warum?
Weil es nur ein Leben gibt.
- Warum?
Weil es nur ein Leben gibt.
20.08.2008, 11:56
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(Was im Bericht über das Stemweder Open Air Festival nicht steht, ist natürlich die Frage nach meiner Kritik oder der Berechtigung einer Kritik an solch einem von mir beobachteten Verhalten. Warum reibe ich mich eigentlich so an dem Verhalten der anderen Festivalbesucher? Warum (miss)fällt mir gerade so sehr die Trunkenheit auf? Wie kommt es dazu, dass ich Punker Asi-Punks nenne und Männer und Frauen mit langen Haaren und Lederklamotten Alt-Rocker, die in ihrem Leben nie weitergekommen sind? Woher kommt und wie entsteht meine Forderung nach einem Fortschritt in der Musik, in dem Verhalten von Menschen auf Festivals? Wieso muss auf dem Festivalgelände alles sauber sein und wieso stelle ich der binären Opposition sauber/schmutzig die Opposition richtig/falsch gegenüber? Wie entstehen überhaupt Begriffe wie sauber und schmutzig und wo verläuft da die Grenze?...)
18.08.2008, 15:39
/ Durch Schall und Rauch
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Dyskalkulie.
18.08.2008, 14:30
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Freitag. In einer Festival-Rezension kann nicht nur etwas über die Musik stehen, denn Festival transportiert gleichzeitig sowohl für Besucher als auch für Rezensenten etwas Woodstock, etwas Ausbruch, etwas Rebellion, etwas... mehr als Bands, die auf Bühnen stehen und spielen jedenfalls. Der Woodstock-Vergleich passt dann zum Stemweder Festival auch am besten; nicht was die musikhistorische Relevanz betrifft und auch nicht was die Qualität der Künstler angeht, und wohl auch nicht was die Gesinnung der Besucher angeht (von der Anzahl ganz zu schweigen), aber vielleicht ist das Bild des Woodstock-Besuchers noch in so manchem Kopf des Stemweder-Festival vorhanden und somit ist „Gesinnung“ im Sinne von „man möchte einem Sinn folgen“ doch noch am passendsten. Aber viele Gäste dieses Festivals wollen erst einmal vom Äußeren der Gesinnung des Woodstock-Festivals folgen, vor allem was Nüchternheit (nicht vorhanden) und Hygiene (wenig bis gar nicht vorhanden, zumindest auf den Zeltplätzen) angeht. Ich gehe selbst hierbei von meinem eigenen Bild von Woodstock aus, genährt aus Berichten und Filmbeiträgen und dem Film selbst natürlich. Jetzt werden viele sagen, dass das auf allen Festivals so ist, und ob ich noch nie was vom Wacken gesehen hätte. Ich war noch nie auf dem Wacken, ich kenne nur Geschichten vom Wacken und den Film natürlich, aber auf keinem „Umsonst & Draußen“ Festival ist man so professionell asi(g), betrunken, bekifft und siffig wie auf dem Stemweder Open Air Festival. Alle Asi-Punks, junge und alte Hippies und Alt-Rocker der Welt treffen sich hier. Aber wahrscheinlich sind es leider nur die des Einzugsgebiets, das bis vielleicht 100 oder 150 km rund um Stemwede liegt. Hier in Bielefeld und OWL ist man verwöhnt mit Diskos, die „alternative“ Musik spielen, was nach meiner Definition immer noch härterer Gitarrenrock ist, und ebenso sprießen neue Festivals aus dem Boden, auf denen zumeist Bands spielen, die „das harte Brett fahren“. NuMetal, Crossover-Metal, Irgendwas-Core, you name it. Das gab es vor 10 Jahren noch nicht und zeigt einiges, was ich aber hier nicht alles aufdröseln kann. Als ich vor 8 Jahren das erste und einzige Mal - bis gestern – auf dem Stemweder Open Air Festival war, konnte ich nicht ahnen, dass ich heute, 2008, so ein großes Bedürfnis verspüren würde, einmal darüber zu schreiben. Es brodelte in mir, es brodelte ob der Selbstzerstörung und Respektlosigkeit, die auf diesem Festival herrscht und irgendwo hoffte ich, es würde woanders anders sein. Ob es so ist, weiß ich nicht, aber ich glaube es. Es gibt eine Menge Katastrophentourismus auf dem Stemweder Open Air Festival, adoptierte Alternative-Kids, die sich abschauen wollen, wie es ist, „alternativ“ zu leben, und die sehen dort, was das heutzutage wirklich bedeutet, vor allem, wenn man schon eine längere alternative Karriere hinter sich hat. Man sieht diese unbedarften und unschuldigen Mädels zwischen all den Schnaps- und Haschleichen herumstolpern, zumeist sind es zwei sich an den Händen Haltende, die nicht wissen, auf welches Elend sie zuerst schauen sollen: die Unmengen an gescheiterten Existenzen, die sich auf immer von der Gesellschaft verabschiedet haben, dies als richtig ansehen und es noch verteidigen; auf die aus Gleichgewichtsverlust durch Rauschmittel Umgefallenen; auf die Horden ins Wald Urinierenden; auf all die, die den Rest des Jahres damit verbringen, das Verpfuschte der letzten Jahre oder Jahrzehnte wett- und gutzumachen und an diesem Wochenende einknicken. Aber letzteres ist auch nur ein ängstlicher Wunsch: es kann ja nicht sein, dass der Alltag dieser Menschen so aussieht, oder doch? Dort sehe ich ein Gesicht aus alten Diskonächten, „Beule“ wird er genannt, der immer voll auf Sendung war wenn ich ihn sah, jahrelang ging das damals so. Jetzt sehe ich ihn wieder, vielleicht sieben Jahre seit dem letzten Mal, und nichts aber auch gar nichts hat sich an ihm verändert. Er ist zerlumpt gekleidet, sturzbetrunken und dreht sich eine Zigarette. Wie stark der menschliche Körper sein muss, dass er solch eine Selbstzerstörung so lange aus- und durchhält. Am gestrigen Abend geht es mir mehrere Male so, dass ich Menschen die ständig gleichen – nicht immer selbstzerstörerischen – Gesten aus der Vergangenheit ausführen sehe. Sind sie aus ihrem Selbst niemals herausgekommen, haben sie nie das Bedürfnis verspürt, etwas zu ändern, oder haben sie es doch und es nur nicht geschafft? Ich weiß nur eins: dieses Festival konzentriert eine Zusammenführung der Gescheiterten. An der Gesellschaft und an sich selbst und vor allem an Rauschmitteln. Eins dieser Rauschmittel, aus metaphorischer Sicht, ist die Musik. Aber sie scheint nur ein Katalysator zu sein, durch den das Eigentliche geschleust wird. Vielleicht komme ich damit auch mal zur Musik, damit die Beschreibung des Elends ein Ende hat. Als erstes vernehme ich auf der Waldbühne Töne von JULIA aus Österreich; was ich von denen noch mitbekomme scheint recht gefälliger Boysetsfire-Core zu sein, angekündigt sind heute diese Bands auf Flyern mit Genre-Beschreibungen, die sich nur ein absolut Unwissender ausgedacht haben kann, oder jemand, der nicht zu oft das Gleiche auf die Flyer drucken wollte. Als nächstes sehe und höre ich auf der Wiesenbühne DISTANCE IN EMBRACE aus Minden, die ich schon einmal live gesehen habe, dort aber mit einem wesentlich besseren Sound. Hier klackert das Schlagzeug und der Bass brummt und stolpert über sich selbst, der Schreigesang ist zu leise und die Gitarren verwaschen. Komplexen Core spielen DISTANCE IN EMBRACE, recht einfallsreich, aber heraushören kann man das heute nur schwer. Dieses Problem mit dem Sound haben DUFF DOWNER aus Ostfriesland nicht, wobei ihr Sound und ihre Songstrukturen auch nicht eine ausgefeilte Abmischung benötigen, DUFF DOWNER spielen intelligenten und traditionsbewussten Heavy Metal/Stoner/Hard Rock mit wenig Metal und viel frühen Black Sabbath. Unerwartet gut klingt das, vor allem die Stimme des Sängers, der in seinen stone-washed Röhrenjeans wie ein uncooler 15-jähriger Schuljunge aussieht, überrascht. Wie kann aus einem solchen Jungen eine so laute Stimme kommen? Auch die Riffs und der Gitarrensound zeugen von aufmerksamen Hard Rock – Studium. Allein das Schlagzeug ist eine Spur zu basisch, im Gegensatz zu den komplexen Bassläufen steht es etwas hintan. Auch wenn im Stoner-Hard-Rock das Schlagzeug eher begleitend sein soll, ist es hier eine Spur zu zurückhaltend, klingt aber trotzdem gut. Kurzer Wechsel zurück zur Waldbühne zu LEFTÖVER CRACK aus den USA, aber da will ich ganz schnell wieder weg; mit Ideologie und Punk-Attitüde aufgeladener Repititions-Ska-Punk, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Schablone der Musik zu nehmen, um Parolen zu verbreiten, die die Anwesenden sowieso vor sich hin brüllen und lallen wo man steht und geht, also zurück zur Wiesenbühne, aber da gibt es das genaue Gegenteil davon, sinn- und verstandloser Spaß-Pop aus Deutschland mit TRAVOLTER aus Espelkamp, die mit Mario-Barth-Klischeetexten und Musikbewitzelung ein paar Lacher aus den inzwischen am Rande des Kollaps torkelnden Festivalbesuchern schütteln wollen. Ich stand weit weg von der Bühne, aber ich schätze mal, es hat vorne so wenig wie hinten geklappt. Miserabler Sound, miserable Riffs, miserable Vocals und ein miserables Songwriting, das sind TROVER aus Espelkamp, die ich nun schon zum dritten Mal irgendwo sehe und jedes Mal klingt es miserabler, was ich da von der Bühne höre. Nachdem das großkotzige dicke-Hosen-Intro verklungen ist, höre ich nur ein einziges Schrubbi-Schrubbi von den Gitarren und dem Bass und so eine Art Knattern, das soll wohl die Double-Bass vom Schlagzeug sein. TROVER klingt ja auch so ähnlich wie Trecker, und Trecker-Metal, so möge in Zukunft dieses von Machine Head, Pantera, diversen NuMetal/Crossover-Bands und Irgendwas-Core abkopierte Songwriting genannt werden. Sänger Torsten Nordsiek kann nicht brüllen, nicht screamen und auch nicht shouten, singen sowieso nicht, auf Platte mag das ja noch alles anders sein oder werden, live geht da bei TROVER gar nichts. Das Highlight des Abends folgt dann doch auf der Waldbühne, wo man noch das Ende der kaputt lallenden LEFTÖVER CRACK ertragen muss. Danach aber spielen FOTOS aus Hamburg, die sich einerseits in das Stemweder Open Air Festival eingereiht haben, Sänger Thomas Hessler kündigt vor Beginn schon mal sein Getränk des Abends (Wodka-O) an, andererseits aber komplett mit ihrer Musik dagegen steuern. FOTOS spielen neue und alte Songs, am Anfang noch etwas lahm, später aber schon gelöster, insgesamt kann man sagen, dass man hier den ausgefeiltesten Sound und das beste Songwriting des Abends hört, was einerseits nicht schwierig war, andererseits aber in Deutschland allgemein schon schwierig ist. Die Songs der FOTOS sind voll, voll von schweren Texten, voll von Melodiebögen, voll von Schwelgen. Im Publikum kommt davon nicht mehr viel an, es bleibt Thomas Hessler nicht viel anderes übrig, als den Betrunkenheitsstand in Punkten zu messen und die Angst vor dem Hass der Festivalbesucher auszusprechen, er hätte gedacht, die Leute wollten nur Hardcore-Ska hören. Aber FOTOS müssen sich der ekligsten Eigenschaft der Stemweder Open Air Festival Besucher stellen. Auch wenn man betrunken und asig ist, wenn man nichts auf die Reihe kriegt und sich niemals verändern will, so kann man doch Respekt zeigen, so kann man sich doch die Musik anhören, die dort auf Bühnen verbreitet wird. Aber nein, nicht einmal das schafft man in Stemwede, hier ist den Leuten wirklich nichts heilig, und so klettern nach der Hälfte des Konzerts ununterbrochen Leute auf die Bühne, um Crowdsurfing zu betreiben. Hier ist das kein Ausdruck des Spaßes an der Musik oder der Energie, die man aufgenommen hat, nein, die Leute wollen auf der Bühne stehen, sie wollen von den anderen Besoffenen gesehen werden, sie hampeln herum, klatschen unrhythmisch, ironisieren das, was hinter ihnen auf der Bühne geboten wird. Niemand der Crowdsurfer erkennt einen Unterschied zwischen einer Band, die nur Beiwerk zum Feiern sein will und einer Band, die etwas zu sagen und zu spielen hat. Hier siegt das Riesenego, hier siegt der Minderwertigkeitskomplex, hier sieht man die Respektlosigkeit zutage treten. Es hat sich nichts in Stemwede geändert, vor 8 Jahren, als ich SLUT hier live spielen sah, benahm man sich auch schon so daneben, wie ein Rotzfleck am Ärmel. Leider schlagen FOTOS mit der letzten Zugabe in die Kerbe und covern, wie sie es nennen, einen norddeutschen Partyklassiker, ich nenne hier nicht den Namen. Aber so wie man in den Wald ruft, so schallt es auch heraus, wobei die Frage auf dem Stemweder Open Air Festival bleibt, wer der Wald und wer der Rufer ist. Kein Samstag für mich.
17.08.2008, 14:55
/ Durch Schall und Rauch
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14.08.2008, 15:44
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Niemals oder selten sollte man sich in seiner Entscheidung ein Album zu kaufen, von einer Rezension leiten lassen. Zu wissen, wie und warum ein Rezensent über ein Album (oder in anderen Fällen über Filme, Theaterstücke und Bücher) schreibt, lässt mich anderen Rezensionen gegenüber wenig Vertrauen entwickeln. Es erscheint mir doch so zu sein, dass das Belegbare sich am Rande aufhält, das Minimum beschreibt, der Großteil sind Gedanken beim Aus-dem-Fenster-Schauen. Und das ist auch gut so. Da ich die Rezensenten aber nicht kenne, kann ich nicht sagen, ob ich Gedanken mit diesem Menschen teile oder teilen möchte. Ich lerne diesen Menschen dann kennen, wenn ich mehrere Rezensionen von ihm gelesen habe, und dann fühle ich plötzlich: der denkt genauso wie ich.
Voller Widersprüche sind diese Worte und voller Widersprüche sind auch die Empfindungen Musik betreffend. Ich spüre sehr oft, ich "muss" etwas schreiben. Ich "muss" eine Rezension über dies oder jenes Album schreiben. In ganz speziellen Fällen verwehren sich jede Worte. Thom Yorkes "The Eraser" ist so eins und wird es wohl auch bleiben. Meistens wird der Rahmen, den ich aufmachen möchte, so groß, dass ich es nicht schaffe; ich breche beim Aufstieg zusammen. Bei der Portishead-Rezension scheint es mir so zu gehen (auch bei "There will be blood"). Aber bei “Með Suð Í Eyrum Við spilum Endalaust” geht es mir nicht so. Es gibt hier keine Berge mehr zu erklimmen, keine Abenteuer mehr zu erleben oder auch keine Sehenswürdigkeiten zu bestaunen. Was die Single "Gobbeldigook" versprach, kann das Album nicht annähernd halten. "Gobbeldigook" war das Land-in-Sicht, nachdem Sigur Rós sich auf den Gewässern der schwebenden Strukturen verloren hatten. Aber das Album holt den Hörer zurück. Ich kam am Anfang deshalb auf die Rezensenten zu sprechen, weil ich so viel Verschiedenes gelesen habe. Spielfreude las ich und höre selbst aber so eine Art vollendetes Schweben, eine endgültige Statik, wo gar nicht mehr gespielt wird sondern nur noch sein gelassen wird. Sigur Rós haben Angst vor ihren Instrumenten und auch vor ihrem Talent bekommen. Statt dessen verlassen sie sich auf die Dinge, die sie - durch die Musik kommend - umgeben. Ihre Studios, Studios überhaupt, Tourneen. Eine Distanz zu all dem wollten sie durch "Heima" beschreiben, beschreiben aber doch nur, dass sie nicht davon los kommen. Sie hatten genug von den großen Tourneen und wollten im Kleinen in ihrer Heimat touren. Aber diese Distanz ist noch nicht geschaffen. Man kann sie nicht herstellen, in dem man wieder etwas Neues (Album, Film) erschafft. In dem Moment, in dem die Band über die Distanz redet, ist sie noch nicht da, ist man immer noch nahe dran. Nach "( )" war es einfach mit dem unbeschwerten Musikmachen vorbei, und das kann man hören und spüren.
Zum neuen Album war auf der Webseite zu lesen:
"inspired by the unfettered feeling of the acoustic performances filmed during heima, sigur rós decided to adopt a looser approach in the writing and creation of með suð. the material for the album was written, recorded and mixed entirely in 2008 and is being released just one month after its completion. the album glows with the perfect imperfection of live takes, the sounds of fingers playing guitar strings, cracked notes, and a stark, upfront presence not found in previous sigur rós recordings, moving away from reverb-soaked guitar sounds towards something altogether more affecting. the record also contains some of the most joyous music the band has ever recorded."
http://www.sigur-ros.co.uk/band/disco/medsud.php
Es ist bezeichnend, diese Worte voraus zu schicken. Man möchte der Kritik vorausgreifen, die vielleicht auf Sigur Rós eingehen würde. Es wird darüber geschrieben, wie echt und wodurch echt die neuen Songs echt und gut klingen. Als könnte man es nicht hören. Und das kann man leider auch nicht. Was im obigen Text beschrieben wird, kann man bei "Gobbeldigook" oder bei "Ilgresi" hören, vielleicht auch bei "Inni Mer Syngur Vitleysyngur". Die beiden Monstren "Festival" und "Ara Batur" spülen aber all dies wieder hinfort. Auch "Godan Daginn" und "Sud I Eyrum" tun ihr übriges. Diese vier Songs könnten Outtakes der "Takk"-Sessions sein. Gleiche Sounds, gleich Singlaute immer wieder gleiche Rhythmen, immer wieder gleiche Soundräume.
Zumindest könnte man Sigur Rós ein Bewusstsein ihrer Transzendenz gutschreiben. "Festival" endet mit der in einer niedrigen Kilohertzzahl gepfiffenen Melodie des Songs, das Skelett des Liedes, das sich so schön anhört, vorher aber von einer riesigen "Zuckerwatte"* eingewattet wird. Sigur Rós bleiben für die Mehrheit der alternativen Community interessant ob ihrer Herkunft und ihrer immer noch währenden Aura des Unentdeckten, Puren und Natürlichen. All das gibt es aber nicht, und Sigur Rós vermitteln auch nur Bilder desselben. Ihre Bilder, die nun schon seit zwei regulären Alben, einer Compilation und mehreren Singles immer gleich aussehen. Die minimale Veränderung im Sound lässt Sigur Rós vielleicht einen kleinen Schritt vorausgegangen sein, aber den "anderen" Weg haben sie noch nicht wirklich beschritten. Das neue Material für das Album wurde komplett in 2008 geschrieben, aufgenommen und abgemischt. Und innerhalb eines Monats nach Fertigstellung veröffentlicht. So vielleicht die grobe Übersetzung eines Teils des Albuminfos. Das klingt für mich nicht nach neuer Herangehensweise, auch wenn sie vorher nicht so gearbeitet haben. Sollte die vorherige Arbeitsweise, sich für alles viel mehr Zeit zu lassen, etwa falsch gewesen sein? Was ist denn mit den guten Kritiken für "Takk"? Was war denn daran falsch? Das Schreiben und Aufnehmen beschreibt nur den Ausübungsprozess der Kreativität. Aber wie ist sie entstanden? Und wo war sie in der Zeit vor 2008? Vielleicht werden im Rückblick die Alben "Takk" und “Með Suð Í Eyrum Við spilum Endalaust” als Übergangs- und Selbstfindungsalben erscheinen, wenn sie im Licht der nachfolgenden Werke stehen. Aber vielleicht gehen Sigur Rós auch bald andere oder getrennte Wege. Die Fangemeinde wird sie nicht im Stich lassen, die Kritiker wohl auch nicht. Ich fühle mich ratlos angesichts meiner fehlenden Fähigkeiten, die Qualitäten dieses Albums zu erfassen. Aber vielleicht fehlt mir auch das Verständnis für die wenigen guten Momente, wenn sie vom Gesamtbild zerstört werden. Interessante Musik kann im Moment nur an anderen Orten geschehen, in anderen Proberäumen, in anderen Szenen, in anderen inneren Motiven fürs Musikmachen. Das Aufrechterhalten eines Turms scheint es mir bei Sigur Rós zu sein, das Voranschreiten ist dort nicht zu hören.
Voller Widersprüche sind diese Worte und voller Widersprüche sind auch die Empfindungen Musik betreffend. Ich spüre sehr oft, ich "muss" etwas schreiben. Ich "muss" eine Rezension über dies oder jenes Album schreiben. In ganz speziellen Fällen verwehren sich jede Worte. Thom Yorkes "The Eraser" ist so eins und wird es wohl auch bleiben. Meistens wird der Rahmen, den ich aufmachen möchte, so groß, dass ich es nicht schaffe; ich breche beim Aufstieg zusammen. Bei der Portishead-Rezension scheint es mir so zu gehen (auch bei "There will be blood"). Aber bei “Með Suð Í Eyrum Við spilum Endalaust” geht es mir nicht so. Es gibt hier keine Berge mehr zu erklimmen, keine Abenteuer mehr zu erleben oder auch keine Sehenswürdigkeiten zu bestaunen. Was die Single "Gobbeldigook" versprach, kann das Album nicht annähernd halten. "Gobbeldigook" war das Land-in-Sicht, nachdem Sigur Rós sich auf den Gewässern der schwebenden Strukturen verloren hatten. Aber das Album holt den Hörer zurück. Ich kam am Anfang deshalb auf die Rezensenten zu sprechen, weil ich so viel Verschiedenes gelesen habe. Spielfreude las ich und höre selbst aber so eine Art vollendetes Schweben, eine endgültige Statik, wo gar nicht mehr gespielt wird sondern nur noch sein gelassen wird. Sigur Rós haben Angst vor ihren Instrumenten und auch vor ihrem Talent bekommen. Statt dessen verlassen sie sich auf die Dinge, die sie - durch die Musik kommend - umgeben. Ihre Studios, Studios überhaupt, Tourneen. Eine Distanz zu all dem wollten sie durch "Heima" beschreiben, beschreiben aber doch nur, dass sie nicht davon los kommen. Sie hatten genug von den großen Tourneen und wollten im Kleinen in ihrer Heimat touren. Aber diese Distanz ist noch nicht geschaffen. Man kann sie nicht herstellen, in dem man wieder etwas Neues (Album, Film) erschafft. In dem Moment, in dem die Band über die Distanz redet, ist sie noch nicht da, ist man immer noch nahe dran. Nach "( )" war es einfach mit dem unbeschwerten Musikmachen vorbei, und das kann man hören und spüren.
Zum neuen Album war auf der Webseite zu lesen:
"inspired by the unfettered feeling of the acoustic performances filmed during heima, sigur rós decided to adopt a looser approach in the writing and creation of með suð. the material for the album was written, recorded and mixed entirely in 2008 and is being released just one month after its completion. the album glows with the perfect imperfection of live takes, the sounds of fingers playing guitar strings, cracked notes, and a stark, upfront presence not found in previous sigur rós recordings, moving away from reverb-soaked guitar sounds towards something altogether more affecting. the record also contains some of the most joyous music the band has ever recorded."
http://www.sigur-ros.co.uk/band/disco/medsud.php
Es ist bezeichnend, diese Worte voraus zu schicken. Man möchte der Kritik vorausgreifen, die vielleicht auf Sigur Rós eingehen würde. Es wird darüber geschrieben, wie echt und wodurch echt die neuen Songs echt und gut klingen. Als könnte man es nicht hören. Und das kann man leider auch nicht. Was im obigen Text beschrieben wird, kann man bei "Gobbeldigook" oder bei "Ilgresi" hören, vielleicht auch bei "Inni Mer Syngur Vitleysyngur". Die beiden Monstren "Festival" und "Ara Batur" spülen aber all dies wieder hinfort. Auch "Godan Daginn" und "Sud I Eyrum" tun ihr übriges. Diese vier Songs könnten Outtakes der "Takk"-Sessions sein. Gleiche Sounds, gleich Singlaute immer wieder gleiche Rhythmen, immer wieder gleiche Soundräume.
Zumindest könnte man Sigur Rós ein Bewusstsein ihrer Transzendenz gutschreiben. "Festival" endet mit der in einer niedrigen Kilohertzzahl gepfiffenen Melodie des Songs, das Skelett des Liedes, das sich so schön anhört, vorher aber von einer riesigen "Zuckerwatte"* eingewattet wird. Sigur Rós bleiben für die Mehrheit der alternativen Community interessant ob ihrer Herkunft und ihrer immer noch währenden Aura des Unentdeckten, Puren und Natürlichen. All das gibt es aber nicht, und Sigur Rós vermitteln auch nur Bilder desselben. Ihre Bilder, die nun schon seit zwei regulären Alben, einer Compilation und mehreren Singles immer gleich aussehen. Die minimale Veränderung im Sound lässt Sigur Rós vielleicht einen kleinen Schritt vorausgegangen sein, aber den "anderen" Weg haben sie noch nicht wirklich beschritten. Das neue Material für das Album wurde komplett in 2008 geschrieben, aufgenommen und abgemischt. Und innerhalb eines Monats nach Fertigstellung veröffentlicht. So vielleicht die grobe Übersetzung eines Teils des Albuminfos. Das klingt für mich nicht nach neuer Herangehensweise, auch wenn sie vorher nicht so gearbeitet haben. Sollte die vorherige Arbeitsweise, sich für alles viel mehr Zeit zu lassen, etwa falsch gewesen sein? Was ist denn mit den guten Kritiken für "Takk"? Was war denn daran falsch? Das Schreiben und Aufnehmen beschreibt nur den Ausübungsprozess der Kreativität. Aber wie ist sie entstanden? Und wo war sie in der Zeit vor 2008? Vielleicht werden im Rückblick die Alben "Takk" und “Með Suð Í Eyrum Við spilum Endalaust” als Übergangs- und Selbstfindungsalben erscheinen, wenn sie im Licht der nachfolgenden Werke stehen. Aber vielleicht gehen Sigur Rós auch bald andere oder getrennte Wege. Die Fangemeinde wird sie nicht im Stich lassen, die Kritiker wohl auch nicht. Ich fühle mich ratlos angesichts meiner fehlenden Fähigkeiten, die Qualitäten dieses Albums zu erfassen. Aber vielleicht fehlt mir auch das Verständnis für die wenigen guten Momente, wenn sie vom Gesamtbild zerstört werden. Interessante Musik kann im Moment nur an anderen Orten geschehen, in anderen Proberäumen, in anderen Szenen, in anderen inneren Motiven fürs Musikmachen. Das Aufrechterhalten eines Turms scheint es mir bei Sigur Rós zu sein, das Voranschreiten ist dort nicht zu hören.
14.08.2008, 11:32
/ Musik
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I learned it from a book.
14.08.2008, 09:59
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Es hat sich so unendlich viel geändert, seitdem ich das letzte Mal beim Weggehen glücklich war. Problematisch ist es geworden, das Spiel der Spiele mitzuspielen, sich der Freizeit hinzugeben, Zeit guten Gewissens zu verschwenden und dabei die Gesundheit durch Alkohol- oder Tabakkonsum gleich mit. Ach, wie ich schon darüber schreibe beweist die Distanz zum Leben vergangener Jahre. Alle Ansprüche sind gestiegen und beweisen doch nicht eine Veränderung der Orte und Gegebenheiten, die ich in der Vergangenheit aufgesucht habe. Einen dieser Orte kann man zum Beweis nicht mehr heranziehen, er exisitiert nur noch als geographische Lage. Man trauert ihm so sehr hinterher, dass man sich dort regelmäßig in einer kleinen Gruppe vor verschlossene Türen setzt und redet und trinkt. Wie leuchtend hell das Leben an diesen Orten damals war. Es hatte einen Sinn, sich dorthin zu begeben, jetzt macht es wenig Sinn. Die Vorhersehbarkeit dieser Abende ist mir einfach zuwider geworden. Aber niemals wird es ein letztes Mal sein, ein letztes Mal geben. Es geht doch weiter.
08.08.2008, 14:13
/ Durch Schall und Rauch
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