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Musik


Wie zuerst bei Radiohead und immer noch laufend bei Portishead, nun auch bei Sigur Rós eine dreiteilige Rezension, wobei ich jetzt bei Sigur Rós schon auf eine Single und ein Video zurückgreifen kann.
Sigur Rós‘ neues Video und dazugehörige Single „Gobbledigook“ weist für alle Fans und Neuhörer auf die Richtung, in die es bei kommendem Album “Með Suð Í Eyrum Við spilum Endalaust” gehen wird. Freiheit. Eine vermeintliche Freiheit, wie mir scheint. Aber bevor ich zur versuchten konstruktiven Kritik komme, erst einmal das Lob. Die Sammlung „Hvarf/Heim“ erscheint nach mehrmaligem Durchhören weitaus ergiebiger und tiefgängiger als vorerst angenommen. Die Geschichte guter Songs und das seltene Label, eine Band zu sein, die wie niemand anders klingt, ist einfach zu außergewöhnlich, als dass man Sigur Rós ob eher schwachem letzten Album und danach herausgebrachter Neuverwertung alter Songs in Vergessenheit geraten lassen könnte. Sigur Rós sind für die alternative Community (ein Begriff, den ich eigentlich niemals aus dem Kreise Angehöriger an die Öffentlichkeit steigen lassen wollte) einfach viel zu wichtig. Auch deswegen die Entscheidung, hier eine dreiteilige Rezension zu versuchen. Sigur Rós‘ Veröffentlichungspolitik in der letzten Zeit erscheint mir immer mehr ausgeklügelt und dem aktuell gängigen Modell "Es laden ja eh alle illegal Musik also müssen wir versuchen durch neue Verkaufsmodelle die Leute animieren doch irgendwie irgendwann Geld auszugeben" zu entsprechen. Sigur Rós bedienen die ganze Palette der Wertschöpfungskette. Sie bringen sowohl CDs als auch DVDs in mehreren Versionen heraus, agieren neben der Musik auch sehr stark auf dem audio-visuellen Markt, indem sie produktionstechnisch hochwertige Musikvideos veröffentlichen und zuletzt auch noch filmisch mit „Heima“ in Erscheinung traten; dabei vermitteln sich gleichzeitig stark ihre Weltanschauung und transportieren ein ganzes Lebensgefühl. Die Erhaltung und Schönheit der Natur/des Natürlichen scheint dabei in den Vordergrund gerückt zu sein. Dem entgegen poltert die angebliche Verschwendung und auf Kapital ausgerichtete Gesinnung des Kapitalismus, niemals expliziert erwähnt, aber doch im Bewusstsein vieler vor allem westlicher Fans präsent. Dabei bedienen sich Sigur Rós aber durchaus kapitalistischer Distribution, um ihre Kunst der Welt zu zeigen, wenn diese auch gleichzeitig die Wege der Kunst sind. Kann Kunst trotz kapitalistischer Distribution subversiv sein? Das bleibt zu diskutieren.
Könnte man ja auch irgendwie außer Acht lassen, wenn hier besprochenes neues Video nicht so explizit auf ein Lebensgefühl abzielen würde. In dem von Arni & Kinski gedrehten und von Ryan McGinley inspirierten „Gobbledigook“ sucht eine Gruppe hübscher nackter Jugendlicher die Freiheit in der Natur, und findet sie auch, was man aus ihrem Verhalten schließen kann. Ohne narrative Struktur wird in „Gobbledigook“ gezeigt, dass man sich in der Natur – im Wald, am Strand – nackt am besten fühlt; ausgelassen und losgelöst toben die Jugendlichen herum, probieren aus, wie es ist, die Natur am Körper zu fühlen, den Boden, die Erde, das Wasser, das Laub. Sie bemalen sich, tanzen und springen herum und probieren den Raum der Natur aus; schwingen an Schaukeln hin und her, sind im freien Fall – von wo nach wo bleibt offen – zu sehen. Die Freiheit führt auch zu sexueller Freiheit, wie durch zwei küssende und sich auf dem Waldboden wälzende Jugendliche angedeutet wird. Bei dem Ganzen stößt mir nur eines übel auf: wo sind eigentlich die Jugendlichen, die nicht so einen schönen Körper haben wie die im Musikvideo Abgebildeten? Können die sich eigentlich auch so frei in der Natur bewegen, wenn sie wollten? Oder würden sie ob ihres Nicht-in-die-Norm-Passens vielleicht weniger freundlichen behandelt werden? Nun könnte man sagen: dass Sigur Rós nicht auf gängige Schönheitsideale achten, konnte man in den Musikvideo zu „Svefn-G-Englar“ deutlich sehen. In gewisser Weise würde dies auch durch die Homosexualität in „Viðrar Vel Til Loftárása“ deutlich. Aber gerade das macht die Entscheidung zum aktuellen Video für mich so unverständlich. Auf was wird hier gedeutet? Welche Freiheit soll hier vermittelt werden? Das Plattencover zum Album scheint hier ein wenig Nachhilfe zu geben. Vier nackte Jugendliche, drei Männer und eine Frau, kreuzen im Sprint eine Autobahn. Sie scheinen den Moment der Lücke auf der Autobahn zu nutzen, um sie zu überqueren. Inwiefern hier maßgeblich ist, dass die Frau an der Spitze der Gruppe läuft, soll außer Acht gelassen werden. Ins Auge sticht für mich, dass hier die Natur, angedeutet durch die Nacktheit die Technik/die Zivilisation/die Gesellschaft kreuzt. Das alles geschieht in einem Akt der Revolution, angedeutet durch den Sprint. In der Geschwindigkeit kann die Menschheit nicht mit der Technik mithalten, sie kann sie aber durch die eigene Geschwindigkeit nachahmen und durch das Erkennen der Lücke das Ziel erreichen, die von dem Fortschritt besetzte Natur zurückzuerobern. Und so erobern sich die Jugendlichen in dem Musikvideo zu „Gobbledigook“ auch die Natur und die Freiheit zurück. Ein wenig wie besessen benutzen sie Äste als Trommelstöcke und wühlen im Laub herum, als wirke allein diese Handlung wie eine Droge. Soll hiermit auf einen Befreiungszustand gewiesen werden, der auf die aktuelle Situation in der Gesellschaft reflektiert, man wäre durch Markenkleidung und Mode in einem ständigen Zwang sich anzupassen und dadurch unterdrückt, so sei Sigur Rós verraten, dass sie mit ihrer Gegenbewegung die gleiche Gefangenschaftssituation in grün abliefern. Die Nacktheit wird keine Missstände abschaffen. Sie erschafft die gleichen Ungleichheiten wie eine angezogene Gesellschaft. Und eine nackte Gesellschaft in der Natur steht einer angezogenen Gesellschaft in der Zivilisation wie ein Spiegelbild gegenüber. Einzig und allein drei kleine Hinweise auf einen Bruch lassen an dieser blauäugigen und hippieesk verklärten Vorstellung der Welt noch den Gedanken an eine Parodie auf diesen Traum der Freiheit. Sollte die Gruppe Jugendliche auf einen Garten Eden hinweisen, so darf sie nicht Filterzigaretten rauchen, in Schuhen auf den Baumstämmen balancieren oder fein ausrasierte Schambehaarung zur Schau stellen. Bezieht man diese deutlich sichtbaren Elemente mit ein, und das muss man fast, kann man glauben, dies sei ein schöner Traum von der Zivilisation verhafteten Ausbrecher. Diese Elemente verhalten sich magnetisch, sie ziehen die Jugendlichen nach Ende des Videos zurück in die aktuelle Gesellschaft. Das Problem ist: das sehen wir nicht mehr, und was wir nicht sehen, kann auch nicht geschehen.
Die Musik von „Gobbledigook“ indes ist in der Tat ein Befreiungsschlag. Wirkte letzes reguläres Album „Takk...“ noch wie ein nebliges Aufleben der sphärischen Welten aus „Ágætis Byrjun“ und „( )“, machen Sigur Rós in „Gobbledigook“ die initiale Musik, die eine für Hörer logisch zu erdenkende Weiterentwicklung nach „( )“ gewesen wäre. Aus dem Sumpf des Reverbs hätten Sigur Rós schon lange auftauchen sollen, denn dann stehen die Ideen in Nähe zum Zuhörer, die man in „Gobbledigook“ durch die Akustikgitarre und die tribalen Drums hört. Das Tempo ist nahezu raserisch für Sigur Rós, die Stimme immer noch leise und verhalten, die Chöre dafür umso lauthallender; immer näher kommen Sigur Rós dem Hörer, anstatt sich in die Lüfte zu erheben und fortzufliegen. Man kann Sigur Rós jetzt auf einem Pfad folgen, erleichtert klingen sie, aber immer noch ergreifend, ohne Schwere und Melancholie.
Solange es bei der Verteilung bleibt, dass Sigur Rós die Sicherheit in der Musik bieten, die sie im Visuellen zuletzt vermissen lassen, ist alles okay.

Jetzt fühle ich mich langsam in der Lage, eine angemessene Kritik über Silver Mt. Zions neuestes Album „13 Blues for thirteen moons“ zu schreiben. Ich kann nicht alles erfassen, was in die Gleichung gehören würde, um zu einem angemessenen Ergebnis zu kommen; vor allem habe ich das Gefühl, dass ein Element schon die ganze Gleichung verändern könnte und dann alles nicht stimmt, was ich sage. Aber dies soll ein Versuch sein. Im Sinne Handkes nun also:
Versuch über „13 Blues for thirteen moons“
Silver Mt. Zion leben in einer widersprüchlichen Welt. Diese Welt baut sich auf und zerstört sich zur selben Zeit. Silver Mt. Zion spüren diese Reibungen und versuchen sie, seit „Born into trouble...“ zu vertonen. Kunst war ja auch schon immer Spiegel und auch (nicht unbedingt erhobener) Zeigefinger.
Seit „This is our punk-rock…“ geschieht dies auch vornehmlich durch Texte innerhalb der Songs. Dort wurde wenig symbolisch gesprochen, meistens benennt Hauptsänger und Texter Efrim Menuck recht klar, was für ihn Sache ist. Das „für ihn“ im vorangegangenen Satz ist hier für mich seit aktuellem Album aber etwas maßgebliches. Vorgetragen ist dies von der Band allerdings so, als sollte es auch „Sache“ der Welt sein. Beschreibungen die zu Beschuldigungen werden, mit Namen von Großunternehmen und Konzernen (wie auch schon auf dem Artwork zu Godspeeds „Yanqui U.X.O.“), Wahrnehmungen von Kriegszuständen und damit einhergehendes Leid, Armut, und nun auch digitale Musikformate wie mp3 sind unter anderem die Themen Menucks. Gut und richtig mögen die Bemühungen Menucks sein, Zuhörer aufmerksam zu machen. Ebenfalls hoch anzurechnen ist die Einberechnung ihrer selbst in diesen Prozess. „1.000.000 died to make this sound“, soll wohl soviel bedeuten wie: wir sind selbst Teil dieser Gesellschaft und nähren uns von eben dem Leid, das wir beklagen. Wir machen hier Musik und woanders sterben die Menschen. Was mir bei dieser ganzen Angelegenheit nun sauer aufstößt, und das mag im Ton der letzten Zeilen angeklungen sein, ist die ungebrochene Einmischung der Texte innerhalb der Musik in das zugegeben manchmal ungerechte Weltgeschehen. Was ich mit „ungebrochen“ meine, werde ich gleich noch erläutern.
Sich zu entscheiden, deutliche politische Meinungen in die Musik mit einzubauen, erfordert eine wohlüberdachte Herangehensweise. Wir befinden uns nicht in der Struktur einer Regierung, Menuck ist nicht Mitglied eines Parlaments, seine Worte werden nicht als Rede auf einem Parteitag oder einer Demonstration gehört, er sitzt in einem Studio, ist Teil einer Band und Teil eines Labels. Teil eines Kunstbetriebs also. Die Wahl seiner Worte ist somit meines Erachtens unüberlegt. Sie ist für die Kunst zu direkt. Der Aufschrei über diese Aussage mag lauten: Wo, wenn nicht in der Kunst, sollten so deutliche Worte gesprochen werden? Wer, wenn nicht die Künstler, sollte in dieser Deutlichkeit auf Missstände aufmerksam machen? Wer, wenn nicht die Künstler, hat die Freiheit mit Wut und Zorn auf Ungerechtigkeiten zu reagieren?
Aber all das hat bis jetzt nichts an den Missständen in der Welt geändert. Dies ist keine resignierte Aussage, sie soll eher darauf hinweisen, was vielleicht an dem WIE zu verändern wäre, um ein mit der Musik geschlossenes Bild zu ergeben. In meinem Kosmos stellt eine Band wie Silver Mt. Zion mit ihrer Musik auf einem Label wie Constellation Records bereits alle politische Aussagen dar, die durch Menucks Wortwahl innerhalb der Songs durch die Texte nur parodiert werden. Denn die Texte, aufgesetzt auf die Musik, sind so etwas wie der Prunk auf all dem. Sie sind wie der Luxus, der auf dem Rücken der Armen geschieht, sie sind in der Kunst Silver Mt. Zions und dem ganzen Musikbetrieb wie die falsche Wirtschaftsform deren Namen ich hier nicht nennen will. Sie sind wie der Nachschlag, den sich die Reichen holen und der den Armen fehlt. Sie sind wie die hohlen Phrasen der Politiker, die Silver Mt. Zion höchstwahrscheinlich verabscheuen. Sie sind wie ein Gemälde auf dem eine Kriegsszene zu sehen ist, auf das mit Neonfarbe geschrieben wurde: Krieg ist grauenvoll! Innerhalb der Musikwelt Musik wie Silver Mt. Zion zu machen, ist mehr als Aussage genug. Und dann noch die Einarbeitung des Internets und des mp3-Formats in die neuesten Beschreibungen Menucks... Ich fühle mich ermüdet von soviel initialer und intuitiver Weltverbesserung. Und ich möchte das nicht. Die ersten 12 Tracks, um iPods zu verwirren? Oh, mein Gott. Da mag man nur den Kopf schütteln und fühlt sich an ein Kind mit Eimerchen uns Schippe erinnert.
Jetzt habe ich noch nicht einmal etwas über die Musik gesagt. Die hat einen Schritt rückwärts getan. Vielleicht ja auch deshalb die wiederholt anklagenden Aussagen und Beschreibungen Menucks. Die Musik reicht vielleicht doch nicht mehr als Aussage. Auf „13 Blues for thirteen moons“ hören wir immer noch Post-Rock, aber wir hören auch oft einfach nur Rock, manchmal zeppelinschen Ausmaßes, manchmal verhaltener, aber sehr oft sehr einfallslos. Dramatische Melodiebögen, das war die Spezialität Silver Mt. Zions. Gänsehaut-Chöre, das haben wir auf den letzten beiden Alben gehört. All das taucht auf dem aktuellen Album nur selten auf, es soll hier viel spontane Rock-Energie zu spüren sein, mit bollerndem Schlagzeug und direkter gespielten Gitarren. Einzig und allein bereits erwähnter Eröffnungstrack „1.000.000 died to make this sound“ schafft es, über seine knapp 15 Minuten fast durchgängig Kraft zu behalten, aber vor allem das Titelstück und „Black Waters Blowed/Engine Broke Blues“ weisen deutliche Längen auf. Produziert ist das Ganze sehr solide, recorded on tape, natürlich.
Silver Mt. Zion stellen immer noch eine absolute Ausnahme dar, sie sind immer noch an der Spitze einer ausgewöhnlichen Musikart, die viele Kinder hat, aber gemeinhin noch gerne Post-Rock genannt wird. Mit diesen ganzen Worten biete ich eine große Angriffsfläche für alle, die sich ebenfalls gerne und viel mit Silver Mt. Zion und einer Szene, die irgendwo und irgendwie noch die alternative Musikszene ist, beschäftigen. Sich über Silver Mt. Zion und ihre Texte zu beschweren, heißt immer noch, sich auf hohem Niveau zu beschweren. Ich fordere ein geschlossenes perfektes Bild, aber warum eigentlich? Höchstwahrscheinlich habe ich irgendwo eine Ebene vergessen, vielleicht steht bei all dem eine etablierte Szene als Gegenpol, der mit einzuberechnen ist. Vielleicht habe ich zu sehr die Macht der Musikindustrie vergessen, die immer noch zu bekämpfen ist. Vielleicht braucht die Welt auch eine direkte brachiale Stimme, die Kräfte mobilisiert, mit deren Hilfe sie besser wird. Vielleicht sollte man die Kunst nicht versuchen, auf irgendeine bestimmte Aufgabe einzuschränken und ihr alle Freiheit, die sie sich nehmen kann, zusprechen und sich freuen und es fördern, wenn Silver Mt. Zion dies tun.
Ich für mich selbst schüttele aber ob des neuen Albums trotzdem eher den Kopf, als dass ich ergriffen wäre. Und ich bin dann für mich der Maßstab, der die neuen Aufnahmen gegenüber den Alten überprüft. Und wenn ich all das weglasse was sich verändert hat, kann ich die Differenz feststellen, die sich von „Horses in the sky“ zu „13 Blues for thirteen moons“ ergeben hat. Die ist für mich signifikant. Wenn andere Bands und Alben eine Entwicklung erkennen lassen, mit der man eine Fülle an Entwicklungen in der eigenen Wahrnehmung der Welt und des eigenen Lebens vergleichen kann, wieso sollte ich diesen Anspruch nicht auch bei Silver Mt. Zion erheben? Aber sie erscheinen mir auf ihrem neuen Album eher gefühllos und unnahbar, wenn ich gerade von ihnen erwarte, empfindsam zu sein und zu wirken.
„Some hearts are true“, sicherlich auch die Herzen von Beckie, Efrim, Eric, Ian, Jessica, Sophie und Thierry. Und die Musik bald auch wieder.

Allein schon wegen der vocodierten „Time does not stop“-Zeile in Vesica Pices die Tracks von De Facto lieben.

Die dritte Rezension. Die dritte Dimension.
Pop-Bands, Bands, die populäre Musik machen, in der alten klassischen Unterscheidung, entwickeln sich weg und bleiben trotzdem nah am Pop stehen. Diese sehr holprige Formulierung soll mir helfen, einen Weg durch die Bedeutung oder Bedeutungslosigkeit eines Albums wie „In Rainbows“ zu finden. Für jeden einzelnen Hörer hat das Album irgendeine Bedeutung. Die gewinnt es durch die durch Schallwellen bewegte Luft (also bewegte Luft durch bewegte Luft) und durch die Verarbeitung dieser Schallwellen in den Köpfen der Hörer. Ich glaube, dass Leben (nicht unbedingt und ausschließlich biologisch) durch Veränderungen und Prozesse erschaffen wird. Wenn Leben im Gegensatz zum Tod der einzig kulturell unerklärbare Trieb im Inneren des Menschen ist, neige ich dazu, allem was also nach dem Leben strebt, eine positive Bewertung zuzuschreiben. Komplizierter Klumpatsch um eine Erklärung für meine Begeisterung und mein Gefühl zu beschreiben, wenn ich „In Rainbows“ höre. Radiohead schaffen es, in hohem Maße Prozesse und Stillstände festzuhalten und abzuspeichern. Gute Musik ist eine exakt genaue Mischung zwischen Gefühl und Wissen. Für den aufgeklärten Hörer natürlich. Ich komme nicht durch alle Ebenen bei Radiohead hindurch, aber das macht nichts. Dieses Album ist, wie die vorherigen vier Alben von Radiohead auch, exakte Fotografie der Gegenwart und Gemälde der Zukunft. Es verweist nach hinten, umarmt das Umunsherum und richtet den Blick nach vorne. Und dabei bleibt es Musik; Schlagzeug, Gitarren, Bass, Keyboards, Produktion. Kunst in seiner höchsten Form, in der Pop-Musik noch viel seltener zu finden als auf der Bühne (gemessen an Quantität), wird von Radiohead betrieben. Sie so zu beschreiben ist widerlich, und läse ich diesen Artikel von jemand anderem würde ich angewidert weiterklicken/–blättern.

VORAB

Auch wenn ich noch keinen dritten Teil zum Radiohead-Album „In Rainbows“ geschrieben habe, die abschließende Rezension also noch aussteht, so will ich dennoch mit dem neuen Portishead-Album ähnliches versuchen. Diese Woche erscheint das neue Album „Third“, und ich habe jetzt schon so viel darüber gelesen, dass ich mir unglücklicherweise ein Urteil gebildet habe, oder es konnte und es dann leider auch passiert ist. Dies wird es nun zu bestätigen oder zu widerlegen gelten. Teil 1 der - wiederum - dreiteiligen Rezension folgt nun hier im Anschluss, Teil 2 dann nach dem Hören und Teil 3 irgendwann.
Die Beiträge zum neuen Portishead-Album überschlagen sich vor sehr intelligenten und geschickten Lobhudeleien und überall wird das Album ein bisschen anders beschrieben. Widmen wir uns einmal zwei großen Musikmagazinen (und versuchen, ein bisschen Musikmagazindiskursanalyse zu betreiben). Wenn ich das richtig verstanden habe, meint die VISIONS, das Album wäre größtenteils unhörrbar, so sperrig und knarrig und versponnen und verschroben klängen die Songs. Alles klingt so kalt und unzugänglich, dass man sich am liebsten gleich ein Kabel nehmen will. Ganz im Gegensatz zur SPEX, die behauptet, das Album wäre eingängig. Sie bringen übrigens den sich am schönsten (irgendwie) anhörenden Vergleich, den ich je gelesen habe. Früher hätten Portishead wie schwarzweiß geklungen, jetzt klingen sie wie durch CCTV-Monitore oder so ähnlich. Medienwissenschaftler wissen, was ich meine.
Ich selbst frage mich, inwiefern es im Interesse der beiden Magazine liegt, die eine oder andere Sache zu behaupten. Mal ganz abgesehen, wie das Album dann letztendlich für mich klingt, der ich noch keinen einzigen Ton davon gehört habe.
Finde ich nun durch eigenes Hören heraus, Portishead haben ein durch und durch uninteressantes Album gemacht, werde ich auch das Schreiben der SPEX neu bewerten. So kann ich dann nämlich sagen, dass die SPEX wahrscheinlich nicht von Portishead lassen will, und dass 10 Jahre warten einfach keinen Verriss erlauben. Nach 10 Jahren und zwei vorherigen maßgeblichen Alben muss einfach wieder etwas Maßgebliches kommen, da kann man nicht verreißen. Sollte das Album in meinen Ohren wirklich großartig sein, so werde ich wiederum zu dem Schluss gelangen, dass die SPEX immer großartiger wird.
Nun zur VISIONS. Die VISIONS sichert sich mit dem Unhörbar-Siegel eigentlich geschickt ab, denn egal wie das Album dann letztendlich für mich klingt, ich werde immer denken: na ja, die VISIONS hatte zumindest irgendwie recht. Und das ist, glaube ich, auch die erkennbare Strategie und das, was man am ehesten für diese beiden Magazine sagen kann: die einen wollen Stellungung beziehen, auch wenn sie damit baden gehen, die anderen lassen sich lieber ein Hintertürchen auf, auch wenn es auf den ersten Blick vielleicht nicht so aussieht oder eher sogar umgekehrt.
Was bedeutet das nun zum eigenen Portishead-Verständnis/Kosmos? Egal, wie das Album klingen wird, und da bin ich ganz wie bei Radiohead, ich werde es als wichtigen Part in der Musiklandschaft lesen können und mir meinen Reim darauf bilden. Ist es gut, ist es gut. Ist es schlecht, auch gut.

Mal abgesehen von jeder möglichen anderen Art von Musik, die mir über den Weg läuft und zu der ich einen engen und tiefen Bezug aufbaue, kann anscheinend nichts es mit NIRVANA aufnehmen. Für mich selbst ist das vielleicht nicht so schwer zu erklären, ich bin eben von NIRVANA großgezogen worden, ich habe mich in sie fallen lassen und wurde aufgefangen, mit all der Scheiße, mit der man eben mit 14, 15 und 16 zu tun hat. Es ist wirklich seltsam, ihre Musik wirkt wie ein Schmerzmittel: ganz egal wo meine Gedanken hängen, in dem Moment, in dem ich NIRVANA höre, wird mein Denken und mein Körper abgelenkt, aber wohin eigentlich? Was macht denn die Qualität von NIRVANA aus? Vielleicht die Paarung von Hingerotztem und Sorgfältigem, das Kaputte und Heile nebeneinander, Gut und Böse, Krach und Harmonie, die Welten, die in ihrer Musik auftauchen. Vielleicht genauso wie Abgrund und Himmel im Leben auftauchen.

Vielleicht sollte da oben auch THE BEATLES statt NIRVANA stehen. Weiß ich gerade nicht.

Zuletzt gehörtes Lied in 2007: "End of music" von Do Make Say Think.
Zuerst gehörtes Lied in 2008: "S.T.G." von Motorpsycho.
Gar nicht schlecht vom Shuffle ausgewählt.

Oh, Danke. 10. März 2008.

Ein Himmel voller Geigen. Dieses Sprichwort beschreibt das Gefühl des Verliebtseins. Alles ist schön. Bei Sigur Rós hängt der Studiohimmel voller Geigen. Zumindest könnte man das meinen, wenn man Hvarf-Heim hört. Der Hvarf-Heim-Himmel hängt hier herinnen. Zumindest solange ich die Songs anhöre. Heulen könnte ich bei den Songs vom Ágætis Byrjun und vom ( ) - Album. Und tue ich auch. Brauch ich mich jawohl nicht zu schämen, dass diese Songs wunderschön sind und zu Tränen rühren und man eventuell auch noch spezielle persönliche Ereignisse mit der Musik konnotiert. Und wollte ich jetzt übertreiben, könnte ich sagen, dass ich bei den anderen Songs auch heulen muss, aber vor Enttäuschung. Natürlich ist es nicht so. Ganz so schlimm ist bei Sigur Rós noch nicht alles. Vielleicht mal geordnet der Reihe nach: Auf Hvarf kommt als erstes der Live-Klassiker "Salka", bei dem - und bei "Í gær" - fällt mir dieser Filmtitel "Rebel without a cause" ein; nur sind Sigur Rós hier diejenigen, die Songs "without a cause" schreiben. "Salka" und "Í gær" starten irgendwo und enden irgendwo. Sie werden nicht geboren und sie sterben nicht. Im Prinzip ist das so, als ginge man in einen Raum, in dem Musik läuft und geht dann irgendwann wieder raus; z.B. wenn es einem zu geigig wird. "Von" übertreibt es eindeutig mit dem Gegeige und "Hafsól" ist dann der erste Song, bei dem so richtig das Herz aufgeht; ja, hier hört man die Qualitäten Sigur Rós' überdeutlich: diese wunderbare Idee, den Bass mit einem Drumstick zu spielen, dieses D baut sich zu einem exzellenten Song auf, hier scheint man nicht zu ahnen, was sigurrósmäßig passieren könnte, aber auch dieser Song ist ja altbekannt. Weiter geht es dann auf Heim, die eigentlich jetzt nicht wirklich sooo anders klingt als Hvarf, ich verstehe diese Teilung nicht so ganz, als künstlerisches Konzept schon, aber vom Sound her jetzt nicht. Allerdings wird es auf Heim ganz heikel mit den Emotionen, denn da begegnet einem das starke "Samskeyti", mit mehr Klavier und ohne Glockenspiel, aber auch mit dem Oktavwechsel nach zwei Dritteln. Danach auch schöne Versionen von "Starálfur" und "Vaka", beides unendlich starke Songs. Auch das Titelstück vom Ágætis Byrjun-Album ist gelungen, danach wird es aber wieder arg beliebig. "Heysátan" ist ein schwaches Stück von einem schwachen Album und dass dann noch einmal "Von" enthalten ist... na ja. Das ist einfach alles in allem ein bisschen zu wenig. Viel schöne Konzeptkunst mit inhaltlich altem Material, das ist schade und etwas vertan. Ich meine, Danke für die neuen Aufnahmen der schönen alten Songs, aber das kann es ja kreativ nicht gewesen sein von Sigur Rós, oder? Wo ist denn der ganze Mut abgeblieben, wo sind denn die Ideen in der Produktion von Ágætis Byrjun und - teilweise - ( ) geblieben, nur noch zuckersüße Geigen, die immergleichen Laute im Gesang, das sinushafte An- und Abschwellen in den Songs wird auf Dauer zu wenig bleiben.