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Bücher

Und nun laß uns aufstehen und weggehen, hinaus, auf die Straßen, unter die Leute, um zu sehen, ob uns vielleicht in der Zwischenzeit dort eine kleine gemeinsame Müdigkeit winkt, und was sie uns heute erzählt.

aus "Versuch über die Müdigkeit"

von Peter Handke

Die vereinfachte Darstellung komplexer menschlicher Emotionen oder sozialer Gefüge oder Phänomenen der Gegenwart hat mich schon immer tief berührt. Am besten hat es bis jetzt Pippo Lionni gemacht, der mit seinem Buch Facts of life philosophische Piktogramme geschaffen hat, die auf mich die Wirkung einer perfekten gesichtslosen Darstellung der Welt abliefern.

Wir schwebten über den L.A. International herein. Ann, ich liebe dich. Ich hoffe, mein Auto springt an. Ich hoffe, der Ausguss in der Küche ist nicht verstopft. Ich bin froh, dass ich kein Groupie gefickt habe. Ich bin froh, dass ich mich nicht so gut darauf verstehe, fremde Frauen ins Bett zu kriegen. Ich bin froh, dass ich ein Idiot bin und von nichts eine Ahnung habe. Ich bin froh, dass sie mich nicht gekillt haben. Wenn ich meine Hände ansehe und sie sind noch dran, sage ich mir jedes Mal, dass ich unverschämtes Glück habe.

aus "Probleme der Lyrik (Hot Water Music)"

von Charles Bukowski

Er stand auf, ging ans Telefon, wählte ihre Nummer und wartete. Sie war da. Sie meldete sich.
„Hör zu“, sagte Joe, „ich muss hier raus. Kann ich zu dir rüberkommen und ne Weile bleiben?“
„Du meinst, du willst über Nacht bleiben?“
„Ja.“
„Wieder?“
„Ja, wieder.“
„Na gut.“


aus "Mensch Mayer (Hot Water Music)"

von Charles Bukowski

Überall in Amerika starrten Betrunkene um diese Zeit an die Wand und wehrten sich nicht mehr. Man musste kein Trinker sein, um von einer Frau abserviert zu werden; aber man konnte jederzeit einen Tiefschlag verpasst bekommen, der einen zum Trinker werden ließ. Eine Weile, vor allem wenn man noch jung war, dachte man vielleicht, man hätte das Glück auf seiner Seite, und manchmal war es auch so. Doch während man sich noch ganz sicher und zufrieden fühlte, gab es bereits allerhand fatale Mechanismen, die gegen einen arbeiteten, ohne dass man etwas davon ahnte. Und irgendwann, in einer schwülen Donnerstagnacht im Sommer, war man selbst der Betrunkene, der allein in einem billigen gemieteten Zimmer lag; und ganz gleich, wie oft man es schon durchgemacht hatte – es half einem kein bisschen, nein, es traf einen sogar noch härter, denn man hatte sich an den Gedanken gewöhnt, dass es einem nie mehr zustoßen würde. Man konnte sich nur noch die nächste Zigarette anzünden, den nächsten Drink eingießen, die schrundigen Wände anblinzeln und hoffen, dass sie keine Münder und Augen hatten. Was Männer und Frauen aneinander antaten, war wirklich nicht mehr zu begreifen.

aus "Opfer der Telefonitis (Hot Water Music)"

von Charles Bukowski

Das war das Schlechte daran, das Problem, das man als Schriftsteller hatte: Zuviel Zeit, in der man nichts tat. Man musste warten, bis man in Form kam, um etwas schreiben zu können, und während man darauf wartete, drehte man durch, und während man durchdrehte, trank man, und je mehr man trank, desto mehr drehte man durch. An einem Schriftstellerleben war nichts dran, was man glorreich finden konnte. Und am Leben eines Trinkers auch nicht.

aus "Neunhundert Pfund (Hot Water Music)"

von Charles Bukowski

Baker war wieder neben ihm.
»Garraty?«
»Ja?«
»Sind wir drin?«
»Wie bitte?«
»Drin. Sind wir drin? Bitte, Garraty.«
Bakers Augen flehten ihn an. Er war eine Schlachthofgosse,
eine blutströmende Maschine.
»Ja. Wir sind drin. Wir sind drin, Art.«
Er hatte keine Ahnung, wovon Baker redete.
»Ich werde jetzt sterben, Garraty.«
»Ist gut.«
»Wirst du mir einen Gefallen tun, wenn du gewinnst? Ich
hab' Schiss, jemand anderen darum zu bitten.«
Und er umfaßte die leere Straße mit einer ausholenden Geste, als wären
noch Dutzende von Gehern auf ihr unterwegs.


aus "Todesmarsch"

von Stephen King/Richard Bachman

Von Harald Schmidt in der neuen ZDF-Sendung "Lesen" angespriesen und von Kritikern gelobt, hat Nick McDonell ein Buch geschrieben, das es sich meiner Meinung nach zu leicht macht. Viel zu leicht. Die Bilder, die er von den Hauptdarstellern seines Buchs entwirft wirken sehr flach und schon bekannt. Der einsame Drogendealer, die hübsche blonde Hohlbirne der Schule, die alle hintergeht, die hübsche unglückliche, die im Drogensumpf versinkt, und der durchgedrehte, der zum Schluss alle abknallt.
Herr McDonell hat es sich hier zu leicht gemacht, und selbst wenn es in New York immer noch nach diesen Schemata abläuft, so ist das Buch doch langweilig zu lesen, weil man immer weiß, was passieren wird.

20 Jahre nachdem das Buch geschrieben wurde, komme ich darauf, und wundere mich, wie schonungslos – für mich – Milan Kundera mit der Liebe in diesem Buch umspringt. Der Leser wird mit den Beschreibungen der Verhältnisse zwischen Tomas und Teresa und allen anderen allein gelassen; heute kam ich an diese Stelle, an der Teresa mit einem anderen Mann schläft, um die Eifersucht loszuwerden, die sie in Bezug auf Tomas und seine Liebschaften empfindet:

Eine Szene ließ ihr keine Ruhe: sie kam aus der Toilette, und ihr Körper stand nackt und verstoßen im Vorraum. Die aufgeschreckte Seele zitterte tief in den Eingeweiden. Hätte der Mann in jenem Moment ihre Seele angesprochen, wäre sie in Tränen ausgebrochen und ihm in die Arme gefallen. […] Teresa weiß, dass der Augenblick, in dem die Liebe geboren wird, so aussieht: eine Frau kann der Stimme, die ihre aufgeschreckte Seele an die Oberfläche ruft, nicht widerstehen; ein Mann kann der Frau nicht wiederstehen, deren Seele auf seine Stimme anspricht.

Dieser Abschnitt hat mich wirklich sehr traurig gemacht. Äußerst traurig. Ich habe noch nie so einfach gefühlt, wenn es um so etwas ging und ich glaube auch nicht, dass es so einfach funktioniert.

Max Goldt schreibt in seinem Buch Wenn man einen weißen Anzug anhat:

Eine zweite Eigenheit des Neuen Spießers ist eine zügellose Larmoyanz das Wetter betreffend. Wettergenörgel wird es immer gegeben haben, aber seit es billige Urlaubsflüge für jedermann gibt, kommt die Empfindlichkeit gegenüber einem bedeckten Himmel einem wahren Volksirrsinn gleich. Man erinnere sich: Im Jahre 2000 waren Mai und Juni fast durchgehend warm und sonnig. Im Juli wurde es dann für einige Zeit etwas kühler. Sofort heulten aus allen Ecken die Spießer, wann es denn endlich mal Sommer werden würde in Deutschland, dass man es hierzulande kaum aushalten könne, dass man über kurz oder lang depressiv werde, weil ja immer alles grau in grau sei. Wenn es nach dreiwöchigen Trockenperioden, in denen das Radio immerfort Waldbrandstufe 4 ausruft, mehr als einen Tag lang regnet, wird man von der Hauswartsfrau für einen Ausbund an Arroganz gehalten, sollte man auf ihre Klage, in Deutschland regne es einfach immerfort, nüchtern erwidern, dass dies der erste Niederschlag seit drei Wochen sei.
"Ja ihr, ihr habt gut reden", würde die Hauswartsfrau in sich rein murmeln, "wir die kleinen Leute, müssen Tag für Tag durch das schlechte Wetter zum Container gehen, um unsere Schnapsflaschen loszuwerden, aber ihr intellektuellen Besserwisser sitzt vor euren gutgeheizten Bücherwänden und kackt Korinthen", und man darf keine Hoffnung darauf verschwenden, dass der Hauswartsfrau noch einfällt, dass es eigentlich keine besondere intellektuelle Leistung ist, dass Wetter auch über einen längeren Zeitraum korrekt wahrzunehmen.


Brillant beobachtet schreibt Max Goldt hier über eine Sache, die mich auch im Fernsehen und Radio tierisch nervt. Da wird kollektiv das Taschentuch gezogen, sollte die Vorhersage - die eh zu 50% versagt - vorhersagen, dass es evtl. morgen Regen gibt.