Jetzt fühle ich mich langsam in der Lage, eine angemessene Kritik über Silver Mt. Zions neuestes Album „13 Blues for thirteen moons“ zu schreiben. Ich kann nicht alles erfassen, was in die Gleichung gehören würde, um zu einem angemessenen Ergebnis zu kommen; vor allem habe ich das Gefühl, dass ein Element schon die ganze Gleichung verändern könnte und dann alles nicht stimmt, was ich sage. Aber dies soll ein Versuch sein. Im Sinne Handkes nun also:
Versuch über „13 Blues for thirteen moons“
Silver Mt. Zion leben in einer widersprüchlichen Welt. Diese Welt baut sich auf und zerstört sich zur selben Zeit. Silver Mt. Zion spüren diese Reibungen und versuchen sie, seit „Born into trouble...“ zu vertonen. Kunst war ja auch schon immer Spiegel und auch (nicht unbedingt erhobener) Zeigefinger.
Seit „This is our punk-rock…“ geschieht dies auch vornehmlich durch Texte innerhalb der Songs. Dort wurde wenig symbolisch gesprochen, meistens benennt Hauptsänger und Texter Efrim Menuck recht klar, was für ihn Sache ist. Das „für ihn“ im vorangegangenen Satz ist hier für mich seit aktuellem Album aber etwas maßgebliches. Vorgetragen ist dies von der Band allerdings so, als sollte es auch „Sache“ der Welt sein. Beschreibungen die zu Beschuldigungen werden, mit Namen von Großunternehmen und Konzernen (wie auch schon auf dem Artwork zu Godspeeds „Yanqui U.X.O.“), Wahrnehmungen von Kriegszuständen und damit einhergehendes Leid, Armut, und nun auch digitale Musikformate wie mp3 sind unter anderem die Themen Menucks. Gut und richtig mögen die Bemühungen Menucks sein, Zuhörer aufmerksam zu machen. Ebenfalls hoch anzurechnen ist die Einberechnung ihrer selbst in diesen Prozess. „1.000.000 died to make this sound“, soll wohl soviel bedeuten wie: wir sind selbst Teil dieser Gesellschaft und nähren uns von eben dem Leid, das wir beklagen. Wir machen hier Musik und woanders sterben die Menschen. Was mir bei dieser ganzen Angelegenheit nun sauer aufstößt, und das mag im Ton der letzten Zeilen angeklungen sein, ist die ungebrochene Einmischung der Texte innerhalb der Musik in das zugegeben manchmal ungerechte Weltgeschehen. Was ich mit „ungebrochen“ meine, werde ich gleich noch erläutern.
Sich zu entscheiden, deutliche politische Meinungen in die Musik mit einzubauen, erfordert eine wohlüberdachte Herangehensweise. Wir befinden uns nicht in der Struktur einer Regierung, Menuck ist nicht Mitglied eines Parlaments, seine Worte werden nicht als Rede auf einem Parteitag oder einer Demonstration gehört, er sitzt in einem Studio, ist Teil einer Band und Teil eines Labels. Teil eines Kunstbetriebs also. Die Wahl seiner Worte ist somit meines Erachtens unüberlegt. Sie ist für die Kunst zu direkt. Der Aufschrei über diese Aussage mag lauten: Wo, wenn nicht in der Kunst, sollten so deutliche Worte gesprochen werden? Wer, wenn nicht die Künstler, sollte in dieser Deutlichkeit auf Missstände aufmerksam machen? Wer, wenn nicht die Künstler, hat die Freiheit mit Wut und Zorn auf Ungerechtigkeiten zu reagieren?
Aber all das hat bis jetzt nichts an den Missständen in der Welt geändert. Dies ist keine resignierte Aussage, sie soll eher darauf hinweisen, was vielleicht an dem WIE zu verändern wäre, um ein mit der Musik geschlossenes Bild zu ergeben. In meinem Kosmos stellt eine Band wie Silver Mt. Zion mit ihrer Musik auf einem Label wie Constellation Records bereits alle politische Aussagen dar, die durch Menucks Wortwahl innerhalb der Songs durch die Texte nur parodiert werden. Denn die Texte, aufgesetzt auf die Musik, sind so etwas wie der Prunk auf all dem. Sie sind wie der Luxus, der auf dem Rücken der Armen geschieht, sie sind in der Kunst Silver Mt. Zions und dem ganzen Musikbetrieb wie die falsche Wirtschaftsform deren Namen ich hier nicht nennen will. Sie sind wie der Nachschlag, den sich die Reichen holen und der den Armen fehlt. Sie sind wie die hohlen Phrasen der Politiker, die Silver Mt. Zion höchstwahrscheinlich verabscheuen. Sie sind wie ein Gemälde auf dem eine Kriegsszene zu sehen ist, auf das mit Neonfarbe geschrieben wurde: Krieg ist grauenvoll! Innerhalb der Musikwelt Musik wie Silver Mt. Zion zu machen, ist mehr als Aussage genug. Und dann noch die Einarbeitung des Internets und des mp3-Formats in die neuesten Beschreibungen Menucks... Ich fühle mich ermüdet von soviel initialer und intuitiver Weltverbesserung. Und ich möchte das nicht. Die ersten 12 Tracks, um iPods zu verwirren? Oh, mein Gott. Da mag man nur den Kopf schütteln und fühlt sich an ein Kind mit Eimerchen uns Schippe erinnert.
Jetzt habe ich noch nicht einmal etwas über die Musik gesagt. Die hat einen Schritt rückwärts getan. Vielleicht ja auch deshalb die wiederholt anklagenden Aussagen und Beschreibungen Menucks. Die Musik reicht vielleicht doch nicht mehr als Aussage. Auf „13 Blues for thirteen moons“ hören wir immer noch Post-Rock, aber wir hören auch oft einfach nur Rock, manchmal zeppelinschen Ausmaßes, manchmal verhaltener, aber sehr oft sehr einfallslos. Dramatische Melodiebögen, das war die Spezialität Silver Mt. Zions. Gänsehaut-Chöre, das haben wir auf den letzten beiden Alben gehört. All das taucht auf dem aktuellen Album nur selten auf, es soll hier viel spontane Rock-Energie zu spüren sein, mit bollerndem Schlagzeug und direkter gespielten Gitarren. Einzig und allein bereits erwähnter Eröffnungstrack „1.000.000 died to make this sound“ schafft es, über seine knapp 15 Minuten fast durchgängig Kraft zu behalten, aber vor allem das Titelstück und „Black Waters Blowed/Engine Broke Blues“ weisen deutliche Längen auf. Produziert ist das Ganze sehr solide, recorded on tape, natürlich.
Silver Mt. Zion stellen immer noch eine absolute Ausnahme dar, sie sind immer noch an der Spitze einer ausgewöhnlichen Musikart, die viele Kinder hat, aber gemeinhin noch gerne Post-Rock genannt wird. Mit diesen ganzen Worten biete ich eine große Angriffsfläche für alle, die sich ebenfalls gerne und viel mit Silver Mt. Zion und einer Szene, die irgendwo und irgendwie noch die alternative Musikszene ist, beschäftigen. Sich über Silver Mt. Zion und ihre Texte zu beschweren, heißt immer noch, sich auf hohem Niveau zu beschweren. Ich fordere ein geschlossenes perfektes Bild, aber warum eigentlich? Höchstwahrscheinlich habe ich irgendwo eine Ebene vergessen, vielleicht steht bei all dem eine etablierte Szene als Gegenpol, der mit einzuberechnen ist. Vielleicht habe ich zu sehr die Macht der Musikindustrie vergessen, die immer noch zu bekämpfen ist. Vielleicht braucht die Welt auch eine direkte brachiale Stimme, die Kräfte mobilisiert, mit deren Hilfe sie besser wird. Vielleicht sollte man die Kunst nicht versuchen, auf irgendeine bestimmte Aufgabe einzuschränken und ihr alle Freiheit, die sie sich nehmen kann, zusprechen und sich freuen und es fördern, wenn Silver Mt. Zion dies tun.
Ich für mich selbst schüttele aber ob des neuen Albums trotzdem eher den Kopf, als dass ich ergriffen wäre. Und ich bin dann für mich der Maßstab, der die neuen Aufnahmen gegenüber den Alten überprüft. Und wenn ich all das weglasse was sich verändert hat, kann ich die Differenz feststellen, die sich von „Horses in the sky“ zu „13 Blues for thirteen moons“ ergeben hat. Die ist für mich signifikant. Wenn andere Bands und Alben eine Entwicklung erkennen lassen, mit der man eine Fülle an Entwicklungen in der eigenen Wahrnehmung der Welt und des eigenen Lebens vergleichen kann, wieso sollte ich diesen Anspruch nicht auch bei Silver Mt. Zion erheben? Aber sie erscheinen mir auf ihrem neuen Album eher gefühllos und unnahbar, wenn ich gerade von ihnen erwarte, empfindsam zu sein und zu wirken.
„Some hearts are true“, sicherlich auch die Herzen von Beckie, Efrim, Eric, Ian, Jessica, Sophie und Thierry. Und die Musik bald auch wieder.
Versuch über „13 Blues for thirteen moons“
Silver Mt. Zion leben in einer widersprüchlichen Welt. Diese Welt baut sich auf und zerstört sich zur selben Zeit. Silver Mt. Zion spüren diese Reibungen und versuchen sie, seit „Born into trouble...“ zu vertonen. Kunst war ja auch schon immer Spiegel und auch (nicht unbedingt erhobener) Zeigefinger.
Seit „This is our punk-rock…“ geschieht dies auch vornehmlich durch Texte innerhalb der Songs. Dort wurde wenig symbolisch gesprochen, meistens benennt Hauptsänger und Texter Efrim Menuck recht klar, was für ihn Sache ist. Das „für ihn“ im vorangegangenen Satz ist hier für mich seit aktuellem Album aber etwas maßgebliches. Vorgetragen ist dies von der Band allerdings so, als sollte es auch „Sache“ der Welt sein. Beschreibungen die zu Beschuldigungen werden, mit Namen von Großunternehmen und Konzernen (wie auch schon auf dem Artwork zu Godspeeds „Yanqui U.X.O.“), Wahrnehmungen von Kriegszuständen und damit einhergehendes Leid, Armut, und nun auch digitale Musikformate wie mp3 sind unter anderem die Themen Menucks. Gut und richtig mögen die Bemühungen Menucks sein, Zuhörer aufmerksam zu machen. Ebenfalls hoch anzurechnen ist die Einberechnung ihrer selbst in diesen Prozess. „1.000.000 died to make this sound“, soll wohl soviel bedeuten wie: wir sind selbst Teil dieser Gesellschaft und nähren uns von eben dem Leid, das wir beklagen. Wir machen hier Musik und woanders sterben die Menschen. Was mir bei dieser ganzen Angelegenheit nun sauer aufstößt, und das mag im Ton der letzten Zeilen angeklungen sein, ist die ungebrochene Einmischung der Texte innerhalb der Musik in das zugegeben manchmal ungerechte Weltgeschehen. Was ich mit „ungebrochen“ meine, werde ich gleich noch erläutern.
Sich zu entscheiden, deutliche politische Meinungen in die Musik mit einzubauen, erfordert eine wohlüberdachte Herangehensweise. Wir befinden uns nicht in der Struktur einer Regierung, Menuck ist nicht Mitglied eines Parlaments, seine Worte werden nicht als Rede auf einem Parteitag oder einer Demonstration gehört, er sitzt in einem Studio, ist Teil einer Band und Teil eines Labels. Teil eines Kunstbetriebs also. Die Wahl seiner Worte ist somit meines Erachtens unüberlegt. Sie ist für die Kunst zu direkt. Der Aufschrei über diese Aussage mag lauten: Wo, wenn nicht in der Kunst, sollten so deutliche Worte gesprochen werden? Wer, wenn nicht die Künstler, sollte in dieser Deutlichkeit auf Missstände aufmerksam machen? Wer, wenn nicht die Künstler, hat die Freiheit mit Wut und Zorn auf Ungerechtigkeiten zu reagieren?
Aber all das hat bis jetzt nichts an den Missständen in der Welt geändert. Dies ist keine resignierte Aussage, sie soll eher darauf hinweisen, was vielleicht an dem WIE zu verändern wäre, um ein mit der Musik geschlossenes Bild zu ergeben. In meinem Kosmos stellt eine Band wie Silver Mt. Zion mit ihrer Musik auf einem Label wie Constellation Records bereits alle politische Aussagen dar, die durch Menucks Wortwahl innerhalb der Songs durch die Texte nur parodiert werden. Denn die Texte, aufgesetzt auf die Musik, sind so etwas wie der Prunk auf all dem. Sie sind wie der Luxus, der auf dem Rücken der Armen geschieht, sie sind in der Kunst Silver Mt. Zions und dem ganzen Musikbetrieb wie die falsche Wirtschaftsform deren Namen ich hier nicht nennen will. Sie sind wie der Nachschlag, den sich die Reichen holen und der den Armen fehlt. Sie sind wie die hohlen Phrasen der Politiker, die Silver Mt. Zion höchstwahrscheinlich verabscheuen. Sie sind wie ein Gemälde auf dem eine Kriegsszene zu sehen ist, auf das mit Neonfarbe geschrieben wurde: Krieg ist grauenvoll! Innerhalb der Musikwelt Musik wie Silver Mt. Zion zu machen, ist mehr als Aussage genug. Und dann noch die Einarbeitung des Internets und des mp3-Formats in die neuesten Beschreibungen Menucks... Ich fühle mich ermüdet von soviel initialer und intuitiver Weltverbesserung. Und ich möchte das nicht. Die ersten 12 Tracks, um iPods zu verwirren? Oh, mein Gott. Da mag man nur den Kopf schütteln und fühlt sich an ein Kind mit Eimerchen uns Schippe erinnert.
Jetzt habe ich noch nicht einmal etwas über die Musik gesagt. Die hat einen Schritt rückwärts getan. Vielleicht ja auch deshalb die wiederholt anklagenden Aussagen und Beschreibungen Menucks. Die Musik reicht vielleicht doch nicht mehr als Aussage. Auf „13 Blues for thirteen moons“ hören wir immer noch Post-Rock, aber wir hören auch oft einfach nur Rock, manchmal zeppelinschen Ausmaßes, manchmal verhaltener, aber sehr oft sehr einfallslos. Dramatische Melodiebögen, das war die Spezialität Silver Mt. Zions. Gänsehaut-Chöre, das haben wir auf den letzten beiden Alben gehört. All das taucht auf dem aktuellen Album nur selten auf, es soll hier viel spontane Rock-Energie zu spüren sein, mit bollerndem Schlagzeug und direkter gespielten Gitarren. Einzig und allein bereits erwähnter Eröffnungstrack „1.000.000 died to make this sound“ schafft es, über seine knapp 15 Minuten fast durchgängig Kraft zu behalten, aber vor allem das Titelstück und „Black Waters Blowed/Engine Broke Blues“ weisen deutliche Längen auf. Produziert ist das Ganze sehr solide, recorded on tape, natürlich.
Silver Mt. Zion stellen immer noch eine absolute Ausnahme dar, sie sind immer noch an der Spitze einer ausgewöhnlichen Musikart, die viele Kinder hat, aber gemeinhin noch gerne Post-Rock genannt wird. Mit diesen ganzen Worten biete ich eine große Angriffsfläche für alle, die sich ebenfalls gerne und viel mit Silver Mt. Zion und einer Szene, die irgendwo und irgendwie noch die alternative Musikszene ist, beschäftigen. Sich über Silver Mt. Zion und ihre Texte zu beschweren, heißt immer noch, sich auf hohem Niveau zu beschweren. Ich fordere ein geschlossenes perfektes Bild, aber warum eigentlich? Höchstwahrscheinlich habe ich irgendwo eine Ebene vergessen, vielleicht steht bei all dem eine etablierte Szene als Gegenpol, der mit einzuberechnen ist. Vielleicht habe ich zu sehr die Macht der Musikindustrie vergessen, die immer noch zu bekämpfen ist. Vielleicht braucht die Welt auch eine direkte brachiale Stimme, die Kräfte mobilisiert, mit deren Hilfe sie besser wird. Vielleicht sollte man die Kunst nicht versuchen, auf irgendeine bestimmte Aufgabe einzuschränken und ihr alle Freiheit, die sie sich nehmen kann, zusprechen und sich freuen und es fördern, wenn Silver Mt. Zion dies tun.
Ich für mich selbst schüttele aber ob des neuen Albums trotzdem eher den Kopf, als dass ich ergriffen wäre. Und ich bin dann für mich der Maßstab, der die neuen Aufnahmen gegenüber den Alten überprüft. Und wenn ich all das weglasse was sich verändert hat, kann ich die Differenz feststellen, die sich von „Horses in the sky“ zu „13 Blues for thirteen moons“ ergeben hat. Die ist für mich signifikant. Wenn andere Bands und Alben eine Entwicklung erkennen lassen, mit der man eine Fülle an Entwicklungen in der eigenen Wahrnehmung der Welt und des eigenen Lebens vergleichen kann, wieso sollte ich diesen Anspruch nicht auch bei Silver Mt. Zion erheben? Aber sie erscheinen mir auf ihrem neuen Album eher gefühllos und unnahbar, wenn ich gerade von ihnen erwarte, empfindsam zu sein und zu wirken.
„Some hearts are true“, sicherlich auch die Herzen von Beckie, Efrim, Eric, Ian, Jessica, Sophie und Thierry. Und die Musik bald auch wieder.
22.05.2008, 16:40
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