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Tool haben mit "10.000 Days" zum 3. Mal das gleiche Album aufgenommen. Nach "Aenima" wurde der Begriff des Metal um eine seriöse Band erweitert. Tool erschuffen so eine Art Art-Metal bzw. etablierten ihn. Mit "Undertow" zuerst nur in den USA, mit "Aenima" dann weltweit. Künstlerisch durchaus anspruchsvolle Musikvideos, allesamt aus dem Bandinneren entstanden, und komplexe Songstrukturen waren eine gesunde Mischung für Fans harter Musik, die aber nicht sinnentleert daherkommen sollte. Diese recht holprige Beschreibung einer, für damalige Verhältnisse, überragenden Band, kann kaum die Enttäuschung verbergen, die sich mit den zwei folgenden Alben eingestellt hat. Im Rückblick klingt "Lateralus" dann ja sogar noch recht gut, obwohl einem immer noch sauer aufstößt, wie gleich und fast 1:1 das Album im Vergleich zum 5 (inzwischen 10) Jahre älteren "Aenima" klang. Und "10.000 Days" ignoriert ebenfalls wieder jegliche Weiterentwicklung, jegliche Ideeneingebung, die man nach "Aenima" von Tool für ein Leben lang erwartet hatte. Wenn, dann hat sich alles nur verschlimmert. Eigentlich hätte ich erwartet, dass A Perfect Circle irgendwann einmal von Tool beeinflusst würden, stattdessen ist es anders herum. Dieses Nicht-Greifbare der A Perfect Circle Alben, diese Nullmelodien und sinnlosen und willkürlichen Strukturen, dieses Ätherische schlägt sich jetzt auch bei Tool nieder. Was bedeutet, dass Tool einfach unerhebliche Musik machen, mit einer Herangehensweise und Bildersprache, die vor 10 Jahren stehen geblieben ist. Als würden Tool immer noch unveröffentlichte Tracks aus den Aenima-Sessions verwerten. Die Songs werden von der exakt gleich gezupften Gitarre wie bei "Aenima" getragen. Es folgen in gleichen Taktabständen harte auf softe Parts etc. Die Parallelen sind offensichtlich. Ich habe nichts gegen die Etablierung eines Stils. Das passierte von "Undertow" zu "Aenima". Danach passierte aber nichts mehr. Als gutes Beispiel könnte man da The White Stripes nehmen. Die mag ich zwar nicht, aber bei denen gibt es eine intelligente Weiterentwicklung innerhalb eines unglaublich engen Rahmens. Und trotzdem haben sie sich bis jetzt jedes Mal neu erfunden. Die Neuerfindung lässt bei Tool auf sich warten. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
sjAlfur äußerte am 11. Jun, 12:02:
Dass sich die Bildsprache der Band nicht besonders stark weiterentwickelt hat, sehe ich auch so, gerade die Videos von Stinkfist bis hin zu Parabola waren nicht unbedingt ein Quantensprung. Und auch für mich klang "10.000 days" zuerst wie eine mäßige Mischung aus "Lateralus" und "Ænima", auch wenn das - meiner Meinung nach - nur auf den ersten Blick der Fall ist (wenn man z.B. "10.000 days (Wing Pt. 2)" mit "Reflection" vergleicht, ähnelt sich der Aufbau sicherlich (auch die Wettergeräusche im Hintergrund), aber spätestens bei "The Pot" sollte einem eine Weiterentwicklung auffallen).
Aber "Lateralus" war doch in keinster Weise ein Abbild von "Ænima"... Ich meine, klar kann man da jeder Parallelen sehen, wie er es will, aber der Unterschied der beiden Alben ist meiner Meinung nach nicht zu übersehen. "Lateralus" wirkt vom ganzen Aufbau her viel berechneter was Taktgefüge usw. angeht, auch der ganze Sound zumindest produktionsseitig hebt sich deutlich von der "Ænima" ab. Die präzise bemessenen Bassläufe und Drum-Muster waren auf der "Ænima" so nicht zu finden.
Was man der "Lateralus" meiner Meinung nach viel eher vorwerfen kann, sind die in sich z.T. sehr vorhersehbaren Lieder. Spätestens nach "Schism" weiß man ungefähr, wie "Parabola" ablaufen wird, und "Lateralis" ist zwar ein gutes Lied, klingt aber irgendwie nach der selben Liedschablone.

Was ich an Tool viel schlimmer finde, und was die Kritik an ihnen auch (zu recht) forciert ist, dass sie einerseits von der Musikpresse (und gerne auch von den Fans) als musikalische Abgötter dargestellt werden, in deren Zusammenhang man gerne Phrasen wie "bis heute nicht verstanden" oder ähnliches verwendet. Ich glaube, wer eine Tool-Platte "nicht versteht", sollte sich einen anderen Job suchen, denn so schwer ist es wirklich nicht, sich Refrains, Strophen und Variationen davon rauszusuchen und den Spannungsbogen, die Taktarten oder den Liedaufbau anzusehen und zu wissen, warum an der Stelle dieser Teil gut wirkt und warum sie ihn gerade dahin gesetzt haben. Und dass das nicht unbedingt die geniale Erfindung dieser Band ist, sondern nur eine (oft auch unbestreitbar gute) Abwandlung desselben Konzepts, das auch einfache Pop-Songs haben, ist.
Und dann kommt natürlich noch die Selbstdarstellung der Band hinzu (für die Pressereaktionen sind sie ja in erster Linie nicht unbedingt verantwortlich...). Interviews mit Tool sind großenteils grauenhaft. Nichts gegen eine gesunde Künstlerarroganz, aber das, was vor allem Maynard J. Keenan machmal von sich gibt... naja.

Aber abseits vom ganzen Image, sind es meiner Meinung nach trotzdem allesamt gute Alben mit einer nachvollziehbaren, wenn auch nicht unbedingt atemberaubenden Weiterentwicklung.

(Ich hoffe mal, der Kommentar ist nicht zu lang geraten...) 
Cut1977 antwortete am 11. Jun, 14:34:
Vielen Dank für den langen Kommentar. Kommunikation über Bands und deren Alben ist wichtig und bringt weiter. Passend dazu hier noch einmal der Verweis auf http://hififi.de
Eine sichtbare Weiterentwicklung gab es m. E. von Aenima zu Lateralus nur in kleinen Ansätzen, dabei bleibe ich. Vor allen Dingen mit dem Hintergrund, dass es eine wesentlichere Weiterentwicklung von Undertow zu Aenima gab und es vor allen Dingen so viel Gemunkel in den Jahren zwischen Undertow und Aenima gab, die ganzen Plattenfirmenquerelen usw. Dadurch wurde eine extrem hohe Erwartungshaltung kreiert. Viele Hörer übersehen dann einfach die Realität des dann vorliegenden Albums und hören das, was sie hören wollen. Das werfe ich Ihnen, Herr/Frau sjAlfur nicht vor, aber einem großen Anteil der Tool-Fans. Sie haben m. E. etwas sehr wichtiges angesprochen. Das Gerede, Tool seien nicht zu verstehen. Tool kratzen nur sehr sehr an der Oberfläche der Prog-Welt, im wirklichen Prog-Metal exisiteren Alben, die nicht einmal ansatzweise zu verstehen sind. Nicht, dass ich darauf abfahren würde, oder das als maßgeblich ansehe, aber dagegen sind Tool noch sehr schlicht.