Wirklich blöd, wenn man die Fresse aufreißt, und fast einen Fehler begeht, den man schon 1000 Mal begangen hat: Über ein Album abzulästern, bevor man es verstanden hat. Ist mir in letzter Zeit wieder fast zwei Mal passiert. Hier ist Fall Nr. 1: The Knife’s „Silent Shout“ erschien mir nach dem ersten Hören als ziemlich leer. Man hatte es schon zum besten Techno-Album des Jahres ausgerufen, an anderer Stelle lese ich Begeisterungsausrufe im Akkord, und mich lässt es kalt. Techno ist es wenig, dachte ich, und: was soll daran begeistern? Bis es mir damit so ging, wie bei anderen Alben. Im Hinterkopf immer wieder die Lust gehabt, weiter und mehr zu hören. Es schient etwas darin zu sein, was geknackt werden konnte. Und genau so ist es. Ich schüttele immer noch den Kopf und frage mich, wieso die Stimme immer irgendwie verfremdet ist, und zwar nicht mit Delay oder Reverb, sondern einfach gepitcht. Entweder raus oder runter. Das ist genial. Das passt 1A zur Musik. Die ist weit mehr Elektro als Techno und weit mehr minimal als orchestral. Sie scheint manchmal auch ganz den Texten zu folgen. Sie wirkt eher wie etwas, was einen erst sanft umspielt und dann mitreißt. Ganz klar scheinen hier aber die Stimmen wichtiger zu sein. Und der Anfang von „Na na na“ klingt wie der Anfang von „Save a prayer“ von Duran Duran. Bei The Knife also der Ansatz, die Musik von der Wichtigkeit her um die Stimmen schleichen zu lassen. Das ist gut, das ist sehr gut. Manchmal klingt die Stimme Karin Dreijers wie von Björk, und damit macht sie eins richtig: nicht wie eine liebliche Frauenstimme zu singen, sondern einfach der Vorstellung ihrer Stimme in ihrem Kopf zu folgen. Organisch wirkt an diesem Album gar nichts, und doch ist es unglaublich gefühlvoll.
29.03.2006, 19:04
/ Musik