Warum lasst ihr das Grab verrotten? Zerstrittene Familie im Kindheitshaus. Es ist eine düstere Stimmung, weil er einfach noch nicht tot sein darf. Er darf es nicht. Aber sein Grab muss gepflegt werden. Deshalb packe ich meine schwarze Tasche mit Sportcartoonstickern und gestorbenen, farblosen Primeln und schmücke die Holzformation auf. Die Eltern warten auf mich und staunen, in welche Schönheit es sich verändert hat. Erschreckt überlege ich, ob ich die Tasche wieder mitnehmen soll. Sie ist voller Tod. Im Zwiespalt. Abholen. Ausblenden. Kamera. Einblenden. Schnitt. Eine Szenerie wie nie gesehen. Trockene, zerstörte Steinwüste, Staub. Mauer. Bedürftige Kinder und Frauen werden von Offizieren in militärbraunen Anzügen erschossen. Ich bin auch eines dieser Kinder und beobachte jeden Schuss, jeden Treffer, jedes Blut. Am Ende wollen auch sie sich erschießen. Noch immer erschüttert von dieser Todesstimmung stehe ich vor einem Drehständer im Buchladen. Der Henryk sieht goldene Mondschatullen und will sich eine nehmen. Diese goldene, teure Version besitze ich. In einem Schaukasten vor mir hängen weitere. Sie steht neben mir, es ist mein Geburtstag. Als wir auf sie zulaufen, ahnt die Verkäuferin wohl schon, dass wir wie alle anderen auch Herr der Ringe kaufen wollen. ‚Das ist ausverkauft oder nur noch auf Englisch erhältlich.’ Auf die Frage hin, ob sie ein Buch empfehlen kann, welches ‚herzallerliebst und kriminell’ (so der genaue Wortlaut) ist, reicht sie uns eine prägnante Version von Brock Haus. Ob sie nicht ein Buch über Paris habe. Das versteht sie nicht. Ich sage, ein Buch über Paris, das so sei wie Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins über Prag. Ja, so was besitze sie. Erneut reicht sie ein Buch, was die Richtung völlig verfehlt.
07.01.2004, 23:33
/ Traumtagebuch