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karton

Putting your life into boxes (of different sizes).

Der absolute Indifferentismus in Jan Delays Album. Gnadenlos zersägt Jan Delay alle Songs auf dem Album mit seiner Stimme. Da braucht man zu der Musik nichts mehr sagen. Dass die Songs auch schon vorher (bevor Herr Delay die Gesangsspur einsingt) vollkommen glattgebügelt keinen mehr interessieren, macht da auch nichts mehr. Völlig überraschungsfreier Mix aus Soul und Funk und was weiß ich, und einmal macht er noch einen auf DIE STERNE. Ich war diesem Machwerk unfreiwillig ausgesetzt, aber irgendwie froh, etwas im Kof abhaken zu können, was durch Medienberichterstattung Interesse geweckt hatte und ich ja auch im Besitz des "Bambule"-Albums bin und so weiter. Es wird eben an jedem Hansfranz festgehalten, der vor x Jahren mal Teil einer Bewegung war, irgendwie.

Ich bin nicht 1979.

In der Möglichkeit, mit einem lieben Mädchen in einen Dialog zu treten, nimmt er sich das Recht heraus, sich selbst mit Emotionen anzufüllen, indem er sich in Dinge einmischt, die ihn nichts angehen. Um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, durchaus aus einer krankhaft bedingten und dadurch bedauernswerten Situation heraus, stellt er sich selbst durch sehr ehrlich wirkende Gedanken der Sorge und des Kümmerns als gefühlvoll und sensibel und mutig dar. Eine Formulierung wie: „Ich hab Angst, dass er dich nicht liebt, weil du ihn liebst“, wirkt da uneigennützig und heroisch. Es wird 1. ein Kompliment ausgesprochen, 2. vermittelt, dass man eine Vorstellung davon hat, wie Liebe funktionieren muss und 3. indirekt darauf hingewiesen, dass man selbst toll ist.

Die Anglizismen, eine große Schwäche von mir. Liegt aber an meiner Liebe zur englischen Sprache, man nehme es mir nicht übel.

Es gibt kaum eine Formulierung, die beschreiben kann wie es sich anfühlt Menschen zu sehen, die man für Geister aus der Vergangenheit hält. Ein erster Geist ist mir in den letzten Tagen erschienen, mehr noch kommt es mir vor, als würde ich nach ihm gesucht haben.

An meinem rechten Ohr rauscht der profane Verkehr Clichys vorbei. Wir warten auf die rätselhafte Mitbewohnerin. Sie bewahrt in einer Tüte versteckt seltenen Käse auf, wir ahnen es. In einer anderen Tüte lagern 200 Papierservietten. Ihr Schlafanzug ist mit kommerziellen Kühen verziert. Dessen Rosa und ihre angebrochene Verpackung der Anit-Baby-Pille lassen uns ihr Geschlecht erahnen. Die Schuhe wirken maskulin. Sie ist alleine. Meine Beine sind (durch Stöße) blau angeschwollen, meine Arme leichtsinnig gerötet. Wir liefen durch die Adern der Stadt mit unzählig vielen Charakteren. Ich denke, Paris schläft, New York wacht.

Ich bin das letzte Mal auch über den Umweg der Single „Hungriges Herz“ an MIAs zweites Album "Stille Post" rangekommen. Weil ich immer wieder dieses unglaublich tolle Lied hören wollte, habe ich mir auch den Rest des Albums angehört. War das die Strategie der Plattenfirma? Ist das das große Geheimnis hinter der ganzen Scheiße? Hat es zum ersten Mal bei mir geklappt, dass ich über Singles rangelockt werde? Kann sein. Zumindest mochte ich MIAs neues Album "Zirkus" anfangs nicht. Alles schien glatt und geordnet, und ich ekelte mich ob der vermeintlichen Angepasstheit. Wieder einmal hatte ich mich damit selbst reingelegt. Vergessen hatte ich, dass ich dieses Verhalten ja schon vor Jahren abgelegt hatte. Spätestens als ich das letzte Mal schmollte, weil ich nicht das zum Geburtstag bekam, was ich mir gewünscht hatte.

Es stellt sich auf MIAs neues Album eine große Offenheit dar, wie ich sie auch schon bei DIE STERNE bemerkt habe, wahrscheinlich ist sie auch auf anderen deutschen Alben dieses Jahres zu finden (fangt mir nicht mit KANTE an!). Man sieht also ein Gerüst aus Melodien, zwischen dem Mieze hin und her turnt (also das deutsche Wort, von "turnen" wie "rumklettern") und sich wie eine Reckturnerin sicher von Melodie- zu Melodiestrang schwingt und all das verbindet und eine Architektur des Pop bildet, die man als Prototyp des intelligenten Musikschaffens ins Lexikon stellen könnte. An keiner Stelle kitischig, zumindest nicht, dass es kleben würde, selbst das Bild "Zirkus", das im Titelstück entworfen wird, wirkt nicht kitschig. Pop wird schnell kitschig, wo auf deutsch über Liebe gesungen wird, echte Liebe, mit Verliebtheit und Treue und Schwur und so. Das liegt an der Schlagervergangenheit in Deutschland (und noch an vielen anderen Dingen). Aber durch MIA kann man sein geheim gehaltenes Schlagerbedürfnis auch ein bisschen stillen. Aber dafür sind MIA dann doch meist zu kantig, es wird doch zu offen und ehrlich über Liebe gesungen ("Dann war das wohl Liebe" muss wohl eins der tollsten und dramatischsten Stücke aller Zeiten sein), da kommen dann doch mal scheppernde Crashs und Analog-Synthies ("Floss" und "Oder Nicht Oder Doch") vor. Es wird also nicht uninspiriert vor sich hin geträllert, die Melodien klingen traurig und ruhiger, geordnet, gewachsen und reifer (Danke, G., für dieses Wort, vor Wochen habe ich dir noch nicht geglaubt). Miezes Stimme ist auf diesem Album mehr Teil des Gesamtbildes, sie ist mehr Teil der restlichen Band geworden. Die Melodien der Stimme fügen sich mehr in die Melodien der restlichen Musik mit ein, unterstützen und erweitern sie. MIA sind ein großes Bild, es wird gerade enthüllt und die Staubschutzdecke ist jetzt über das obere Drittel geglitten.

Kante haben sich zurückentwickelt. Das kann man doch ganz einfach auf dem neuen Album "Die Tiere sind unruhig" hören. Als ich das Bandfoto in der Intro gesehen hatte, sagte ich zu einem Freund: "Peter Thiessen sieht da irgendwie nicht gut aus. Ungesund, als würde es ihm die ganze Zeit schlecht gehen." Das stimmt auch. Er schaut auf dem Foto auch irgendwie zur Seite, so als würde er in eine Verteidigungshaltung gehen, weil er einen Ansturm Kritik bezüglich des neuen Albums erwartet. Bräuchte er aber gar nicht, denn man lobt Kante ob ihrer neu hinzugewonnenen Direktheit, die man wohl aus den Rockriffs und nachvollziehbareren Songstrukturen schließt. Sind aber uninspirierte und sehr leere Riffs, die auch keine Seele haben, ganz im Gegensatz zu den Songs des letzten Albums. Anstrengend wären die Aufnahmen zum letzten Album gewesen und man wäre ausgebrannt und kurz vor der Auflösung gewesen. Nun, wer hat denn gesagt, dass das Leben einfach sei? Vielleicht hätten sich Kante dann noch mehr Zeit lassen sollen, einmal ein halbes Jahr ausruhen, keine Musik mehr hören usw. und dann ein richtiges Album aufnehmen. So sind auf dem neuen Album nur ein oder zwei richtige neue Songs zu hören und der Rest sind Kante-Songs, wo dann plötzlich so alberne Rockgitarren reinlärmen, und -stolpern und -nerven, die kein Mensch mehr braucht. Das können irgendwelche Bengels machen, die feuchte Träume vom NME und dem Rolling Stone haben. Bei Kante kann man einfach nur darauf hoffen, dass das von "Zombi" erreichte Niveau zurück kehrt, auf dem nächsten Album.