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E- und U-Musik. Unter dieser Dichotomie, und mit der herabschauenden Autorität der Hochkultur auf das Kreuchen und Fleuchen eines minderwertigen Pop-Business in dem alles der Warenform dient, aufgewachsen zu sein, bedeutet, sich von vornherein wie ein kleiner Dummi vorzukommen, wenn man in einem Klassik-Konzert sitzt und nichts kapiert. Nichts zu kapieren rührt natürlich auch daher, dass die Menschen rund um einen selbst herum in zwei klare Lager gespalten sind. Das Konzert findet in der Universitätshalle statt und ist umsonst. Ganz klar, dass da auch mal der sich im 2432. Semster befindende Student dann mal reinhören will. Dort sitzen also zum einen ältere Menschen, die sich mit Klassik und Lodenkotze tragen auskennen und abgeschluffte Studenten, die sich mit nichts auskennen außer mit Zigaretten drehen und Kapuzenpulli tragen. Eigentlich wollte ich aber anders schreiben und eigentlich auch einen anderen Ton anschlagen. Aber das kommt genau daher, dass man sich auf eine Seite schlagen will. Der Dirigent war nun mal wirklich unlustig mit seinen Klassik-Insidern. Was Haydn doch für ein Witzbold gewesen sei, weil er den einen Satz in seiner 92. Symphonie, der Oxford-Symphonie, mit einer Dominante hat beginnen lassen, hihihi. „Haben wir Gäste mit absolutem Gehör heute hier anwesend“, rief er dann noch schelmisch in die Runde und tatsächlich, direkt hinter mir, geiferte eine Geigerin (erkennbar am Geiger-Fleck am Hals): „Ja, iiiiich!“ Es war also allgemein schon mal ein surreales Setting. Ich wollte es also schon mal per se nicht gut finden und stand daher auf der Seite der abgeschlufften Studenten. Vorher hatte ich mich aber auf den Sound gefreut. Ich hatte gedacht, dass ein ganzes Orchester direkt vor mir wahnsinnig gut klingen müsste, zum ersten Mal für mich sowieso nicht auf Platte, CD oder mp3. Aber nein, es klang eher alles so wie eine schlecht kodierte mp3, ganz leise und irgendwie so weich, wie glattgemastert. Aber all das mag auch an der langen Halle der Universität Bielefeld gelegen haben. Schenken wir uns also den tollen Sound. Da sitzt man also mit seinen Pop-Ohren, hört eine Haydn-Symphonie und der erste Gedanke ist natürlich: ich kapiere es deswegen nicht, weil ich an Pop gewöhnt bin, in dem alle Stücke nur 4 Minuten lang sind, sich andauernd alles wiederholt und man den Hörer umschmeicheln will. Die Klassik ist schon mal viel komplexer und anspruchsvoller, einfach weil man sich konzentrieren muss. Aber irgendwie kann ich nicht mehr so recht daran glauben. Mehr und mehr kommt mir Klassik (und auch Jazz, aber dazu gleich oder irgendwann mehr) vor wie ein großer Hoax. Man einigt sich auf ein Aufschreibesystem, verteilt alle Variablen und Varianten so gleichmäßig im Raum, dass keine großen Zu- und Ausfälle mehr geschehen können und dudelt dann alle Möglichkeiten in Symphonien ab. Klassik ist wie das sich nicht für etwas entscheiden können und sich eben nicht konzentrieren können. Wenn man 846750123467 verschiedene Noten in verschiedenen Abfolgen rauf und runter spielt, mal passend und mal nicht, dann gibt es nichts zu verfolgen und erkennen, sondern man muss ständig vergessen. Man muss eigentlich nur dem Blatt folgen. Vom Blatt spielen also. Klassik ist Handwerk. Man lernt es, Noten zu lesen, dazu sein Instrument zu beherrschen, versucht alle Widrigkeiten des Zusammenspiels von Mensch und Instrument auszuschalten, es zu BEHERRSCHEN eben und interpretiert dann die großen Klassiker auseinander. Klassik ist Unbescheidenheit. Klassik ist Herrschaft. Klassik ist das Klotzen in der Musik. Subtilität sucht man hier vergebens, hier zählt der Pomp. Meine Güte, ich schreibe mich um Kopf und Kragen. Es geht eben nicht darum, sich der großen Symphonie oder Melodie unterzuordnen, sich einzufügen, sondern das Menscheln des Menschen auf größte Weise zu zelebrieren. Ich verstehe zu wenig davon, ich weiß, aber das Prinzip kann ich zu verfolgen versuchen. Es gibt natürlich auch noch mal Unterschiede in der klassischen Musik, schon klar. Aber das Grundlegende ist doch: alles dient dem Aufschreibesystem. Alle klassischen Stücke folgen dieser Rechnung, diesem Konstrukt, diesem Netz aus Regeln für Frequenzen. Im Orchester wird nicht gejammt, was ja auch irgendwie gut ist, ich bin der vielleicht größte Gegner des Jammens in meinem Freundeskreis, aber Jammen bedeutet weitaus mehr Inspiration zuzulassen, als es die Klassik immer behauptet. Die Komponisten wären Genies gewesen, perfekt. Waren sie eben nicht. Sie waren Übende, Praktizierende, Handwerker. Zufalls-Ausschalter. Klassik ist höchst-effiziente Anordnung von Frequenzen in einem Raum. Es ist der Versuch, alles zu ordnen. Ordnet man alles, bleibt aber alles gleich und somit egal. Geordnetes wird unsichtbar, unerkennbar, unbemerkt. Und so driftet man während des Hörens irgendwie ab, weg vom Stück, weg von der Musik. Klassik ist perfekt, um NICHT auf die Musik zu achten, sondern um nachzudenken, zu planen. Klassik rührt die Denksauce an, in der man sich eh schon befindet. Erst die Neue Musik und die Elektroakustische Musik hat endlich mit diesem ewigen Teufelskreislauf aufgeräumt. Wenn klassische Musik aus einer Zeit kommt, in der es angeblich viel weniger Zerstreutheit gab, in der man Dinge noch wertschätzte, dann frage ich mich, warum die Musik so wenig davon widerspiegelt.